Vilm 01. Der Regenplanet (German Edition)
genau diesen Gestrolchen, als ich diese unscheinbare Halbpflanze entdeckte. Ein putziges Ding. Ähnlich wie die Lianen mit den kleinen Knoten darin, aus denen man diese verschiedenen Geschmäcker machen kann ...«
»Gewürze, so nennen wir das.«
Sdevan ging auf das fremdartige Wort nicht weiter ein. »Man kann die auch so essen, da machen sie für eine sehr lange Zeit satt«, sagte er.
Die steckst du natürlich nicht in deinen Mund, die steckst du in dein Maul, dachte Eliza. Es war immer wieder irritierend, die Vilmkinder von ihrem tierischen Teil sprechen zu hören.
»Sie sah aus wie die Gewürzlianen, nur anders«, fuhr Sdevan fort. »Sie hatte kleine Knollen an den Ästen. Die sahen genauso aus wie die Knollen, die von Eingesichtern und Rehschweinen so gern gefressen werden.«
»So kopfgroße Dinger, länglich, mit einer grauen Schale, die wie verschrumpelt aussieht.« Eliza erinnerte sich.
»Genau die.« Die runzligen Brotfrüchte waren unter den ersten vilmschen Pflanzen gewesen, die von den Menschen als essbar erkannt worden waren, nachdem man aufmerksam die Tiere beobachtet hatte. Nach all den Jahren hat man sich an den Geschmack gewöhnt. Beinahe gewöhnt, gab Eliza in Gedanken zu. Den Vilmkindern schmeckten die Knollen vorzüglich, wie nicht anders zu erwarten.
»An diesem speziellen Busch wuchsen diese Knollen auch, was an und für sich schon abwegig war«, erzählte Sdevan. »Hinzu kam, dass die Knollen sehr klein waren, kaum faustgroß, mit einer glatten, grünen Schale. Die Dinger sahen anders aus als andere Früchte, die ich kannte.«
»Und?«
»Die Pflanzen waren voller Blattwürmer, und auch Zimtschnecken gab es dort, die kleinere Art. Die Früchte und Blätter waren angefressen, die Knollen hatten die Tiere nicht angerührt. Wahrscheinlich des Aussehens wegen. Dachte ich.«
»Und?«
»Ich hab gekostet. Es schmeckte seltsam, interessant; säuerlich, frisch und süß und mit jedem Bissen süßer.«
»Wer genau hat gekostet? A oder J?« Eliza fand es praktisch, dass die Vilmkinder sich Buchstabenkennungen für ihre Bestandteile ausgedacht hatten. Leider hatte sie keine Ahnung, was die Buchstaben zu bedeuten hatten.
»A natürlich«, gab Sdevan zu. Der menschliche Teil also. »Es war köstlich. Nur wurde mir schlecht und sehr wunderlich. Alles wurde bunt und grell und leuchtete, und ich hatte das Gefühl, der Boden bewege sich unter meinen Pfoten. Ich muss dann wohl hingefallen sein und war für eine Weile weggetreten.«
Eliza blickte Sdevan scharf an; mit den hinteren Pfoten kratzte er sich hinter den Ohren, wie ein Schäferhund, und er vermied es, ihr in die Augen zu sehen. »Und deswegen hat Will dich hergeschickt?«, fragte sie misstrauisch. Sdevan-A nickte beflissen. Sdevan-J schaute betont gelangweilt im Zelt umher. »Such dir jemand anderen, der alt genug aussieht, dass du ihn verarschen kannst.«
Ein verdatterter Gesichtsausdruck. »Aber ich habe ...«
»Überlege es dir genau, ehe du mich anlügst«, fauchte Eliza. »Ich kann Will fragen, was wirklich los war. Er muss nicht einmal herkommen. Es gibt Funksprechgeräte, auch wenn sie nicht sonderlich gut funktionieren. Reden kann man. Und wenn ich mir per Funk sagen lassen muss, dass Vilmkinder mich auf die Nudel geschoben haben, wirst du dir wünschen, überall ein schönes dichtes Fell zu haben, das den Schmerz etwas dämpft.«
Das Eingesicht sprang auf und wich zurück, den Kopf beschämt gesenkt. Man sah ihm an, dass es nichts wollte als raus hier. Die bunt vor sich hin leuchtenden Monitore würdigte es keines Blickes mehr. Sdevan räusperte sich. »Stimmt es tatsächlich, was die Kleinen erzählen? Dass du Gedanken lesen kannst?«
Eliza unterdrückte ein Lächeln. »Wenn sie dermaßen deutlich in einem solchen Gesicht stehen, sicher.«
»Das ist unfair«, meinte Sdevan.
»Wer hat dich auf den blödsinnigen Gedanken gebracht, das Leben sei fair?« Eliza schüttelte den Kopf. Das Vilmkind brachte sie auf. »Ist es etwa fair, ein paar hundert ahnungsloser Leute auf einem Planeten abzuladen, dessen größtes und einziges Kapital in seinem unerschöpflichen Vorrat an Regen besteht?«
»Ich finde Regen schön.« Sdevan-J schaute noch einmal sehnsüchtig zum Ausgang und trollte sich dann wieder zu Sdevan-A. Mit neugierigen Augen musterte er die Geräte, die Eliza aufgebaut hatte und deren zahlreiche Bildschirme mit bunten Lichtern, aufklappenden Bildern und emsig hüpfenden Statistiken vor sich hin leuchteten und flimmerten.
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