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Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition)

Titel: Vilm 03 - Das Dickicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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die letzten Schritte bis zur Linse zurücklegte.
    Er drehte sich einmal langsam um sich selbst, die Waffe schussbereit in den Händen. Das Wolkengebirge hatte offenbar keine neuen Überraschungen mehr.
    »Wir können weiter«, sagte Anthrax.
    Schließlich standen sie alle hinter der durchbrochenen Verteidigungslinie, und vor ihnen breitete sich das unvergleichliche Schauspiel einer in voller Blüte stehenden Sämlingslinse aus. Sandaragaleezi Mornastan fühlte, wie sich sein Herz öffnete. Diese durcheinanderschießenden Grüntöne! Diese herumwimmelnden kleinen Wesen, die man kaum erkennen konnte! Diese bunten Triebe, die im Sekundentakt emporstrebten, in grellen Farben gehaltene Blüten entfalteten und in das Gewimmel der Linse zurücksanken!
    War dies das Betriebssystem des göttlichen Wesens, das er in dem Wolkengebirge vermutete?
    Pertussis riss ihn aus seinen Gedanken.
    »Das ist ja wie ein gedeckter Tisch«, sagte er. »Für mich sieht das alles nach Profit aus.«
    Er griff in seinen Rucksack und holte ein Gerät heraus, das wie eine verkleinerte und sehr viel verspieltere Version des Schießprügels aussah, den Anthrax vor sich her trug. Auch Lyssa zückte eine solche Vorrichtung.
    »Denk daran«, sagte Pertussis. »Die maximal mögliche genetische Vielfalt. Für den späteren maximalen Gewinn, nachdem wir uns all diese Patente gesichert haben.«
    »Ich weiß«, flüsterte Lyssa. »Nicht das Gewöhnliche zählt, sondern das Einzigartige.«
    Ihre Waffe – war es eine? – züngelte in die Sämlingslinse hinein und fetzte einen eimergroßen Lebensspender heraus, der eben von zahllosen kleinen Wesen belagert wurde, die offenbar hungrig waren. Die raffiniert konstruierten Kraftfelder schälten alles überflüssige Fleisch von dem Organismus ab und speicherten lediglich die wertvolle Erbinformation der Probe. Auch Pertussis’ Datensammler schlug tiefe Wunden in die Infrastruktur der Sämlingslinse. Im Minutenrhythmus fraßen die beiden Geräte tiefe Schrammen in die Biomasse.
    Jene pelzigen, kleinen Wesen, die eben noch friedlich in den unaufhörlich neu sprießenden Trieben gegrast hatten, stoben in Panik auseinander. Diejenigen unter ihnen, die sich deutlich vom Rest unterschieden, wurden von den Datensammlern zerlegt und Proben ihres Erbgutes aufgesaugt; die unbrauchbaren Reste ihrer kleinen Körper flogen als blutige Reste in der Sämlingslinse herum wie Käsebrocken in einem Mixer. Pertussis und Lyssa achteten sehr darauf, sich nicht mit diesen Überresten zu beschmutzen, und der Hochmeister trat hastig mehrere Schritte zurück.
    Die schlanken Knospenstauden, die unaufhörlich frische, nie gesehene Blütenkreationen hervorbrachten, wurden ebenso zerfetzt wie die Tiere, die zwischen ihnen lebten.
    Sandaragaleezi Mornastan blickte etwas desorientiert um sich. Er hatte gewusst, dass Pertussis und Lyssa biologische Proben sammeln wollten, um die darin enthaltenen und möglicherweise wertvollen genetischen Informationen später zum Patent anzumelden und mit den Gebühren für deren Verwertung kräftig Kasse zu machen. Dass dieser Vorgang aussehen würde wie ein High-Tech-Schlachtfest, war ihm nie in den Sinn gekommen.
    Er hatte sich sorgsam Blatt um Blatt aufpickende Forscher vorgestellt, keine Schneisen der Verwüstung ins Fleisch der Gigantpflanze fräsenden Verrückten.
    Nein, er hatte sie sich nicht anders vorstellen wollen. Hatte er wirklich gedacht, der eiskalte Pertussis und diese überhebliche Lyssa würden sich benehmen wie anständige menschliche Wesen? Hatte er das? Wie denn nur, nachdem er ihre Entourage kennengelernt hatte, die todscharfe Ebola und Ich-knall-alles-ab-Anthrax?
    Der Hochmeister gestand sich ein, dass ihn die Sehnsucht verführt hatte, das Dickicht aus erster Hand zu erleben. Stattdessen erlebte er mit, wie es geplündert wurde, geschändet und in winzige Erbgut-Proben komprimiert.
    In Stücke geschossen wie jenes unglückselige Raubtier unten in der Ebene.
    Ich bin der Basileus, dachte er. Ich bin einer der wenigen Numeranten dieses Universums. Ich muss mich mit diesen Leuten nicht weiter abgeben. Auch wenn ich mich – leider – mit ihnen eingelassen habe.
    Er wandte sich um und machte sich auf den Weg zurück zum weit geöffneten Eingang der Sämlingslinse.
    Hinter ihm zischten die Genpoolsammler, und sowohl Pertussis als auch Lyssa ernteten, was das Zeug hergab, während Anthrax tief im Inneren der Sämlingslinse nach neuen Gegnern oder auch Opfern – was für ihn auf dasselbe

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