Violet - Verletzt & Versprochen & Erinnert (German Edition)
ist ihr kaum noch anzuhören, als sie mir die Atemübung vorführt, die sich jetzt absichtlich anhört, als würde sie dabei schluchzen. Gut Asha, denke ich und werfe einen Blick über meine Schulter, in Richtung des Schattens. Trish steht am Eingang und schaut uns zu. Wie lange ist sie schon hier? Hat sie etwas mitbekommen?
Sie ist nicht dumm, natürlich lässt sie sich nicht von Asha´s Täuschungsmanöver in die Irre führen. Deshalb ist die einzig entscheidende Frage, wie sie auf Asha´s Verstoß gegen das 7. Gebot reagieren wird.
„Die Gesandten haben sich angekündigt“, sagt sie, als sich unsere Blicke treffen. „Sie kommen viel früher als erwartet.“ Ich brauche einen Moment, bis Trish´s Worte bis in mein Gehirn vorgedrungen sind.
Die Gesandten? Sie kommen, um uns zu prüfen. Ich werde heute noch anfangen müssen zu lernen. Den Geschichtsstoff über die Gesandten, die 7 Gebote und ihre Bedeutungen und die Themen, die ich als Nahkämpfer wissen muss, und sich von denen aller anderen Teammitglieder unterscheiden. Ich stelle mich schon gedanklich auf meine Prüfungsvorbereitung ein und gehe die nächsten drei bis vier Wochen bereits in meinem Kopf durch.
Ich werde viele Stunden in der Bibliothek zubringen und auch mal eine Nachtschicht einlegen müssen, damit ich das aufholen kann, was ich im letzten halben Jahr an Lernen vernachlässigt habe. Dann kommt mir ein weiterer Gedanke. Ich habe die Zusammenstellung über die neuen Bestienarten, die wir vor zwei Monaten erhalten haben, noch nicht einmal angeschaut. Okay, dafür muss ich dann noch einmal mindestens eine halbe Woche dranhängen.
Gut, dass ich gerade von Asha krankgeschrieben wurde und nicht auf Patrouille gehen muss. Glück im Unglück, so habe ich mehr Zeit zum Lernen, überlege ich weiter. Dann höre ich Asha´s Worte: „Wann treffen sie ein?“
„Morgen!“, antwortet Trish ohne die geringste Gefühlsregung.
Kapitel 5
Könnte mich mal bitte jemand daran erinnern, wie man atmet.
Ich werde sterben. Das ist mein erster Gedanke.
Ich bin verletzt, mein zweiter. Denn mir wird schrecklich bewusst, dass ich nicht einmal meine Stärke, meine praktische Prüfung, die mich sonst immer gerettet hat, mit der ich die schlechten Ergebnisse aus der Theorie ausgleichen konnte..., dass sie mir dieses Mal nicht helfen wird. Ich darf nicht einmal über diese Erkenntnis lachen, denn das beansprucht zu sehr meine verletzten Bauchmuskeln
Trish steht immer noch da. Wenn ich es nicht besser wüsste, dann könnte man meinen, dass sie diesen Moment genießt und ihn deshalb so lange wie möglich auskostet. Asha ist sprachlos, sie schaut mich nur mit ihren blauen, runden Augen an, die jetzt mindestens um das doppelte größer sind.
Angst kann ich aus ihnen lesen. Es ist nicht die Angst, selbst zu versagen. Sie ist immer diejenige von uns, die mit den besten Ergebnissen abschneidet, eine kleine Streberin. Nein, es ist die Angst, mich zu verlieren. Und das Traurige ist, dass ich nichts dagegen tun kann. Habe ich nicht eben noch versprochen, dass ich für sie da bin. Tolles Versprechen, hat genau mal eine Minute gehalten. Tolle große Ersatzschwester. Ich bin so naiv, wie konnte ich nur daran glauben, dass ich für Asha da sein kann.
„Du musst mich gesund spritzen!“, sage ich zu Asha. „Ich werde bei der praktischen Prüfung so gut abschneiden, dass sie mich behalten müssen“, sage ich und weiß, dass es diese Spritze nicht gibt. Dennoch stehe ich entschlossen auf. Zu schnell, der Schmerz in meinem Bauch zwingt mich wieder in die Knie und die Tränen steigen mir in die Augen. 7. Gebot, keine Schwäche zeigen, denke ich. Verdammt. Ich weine nicht vor Schmerz, sondern wegen Asha, weil es aussichtslos ist.
„Die Gesandten haben mich beauftragt, dieses Jahr den Zeitplan für die Prüfungen aufzustellen.“ Trish macht eine Pause. Ich spüre, wie schwer es ihr fällt, das jetzt zu sagen. „Ich setze dich ans Ende der Liste. Mehr kann ich nicht für dich tun“, sagt sie und geht. Das Ende der Liste? Ich werde die Letzte sein, die zur Prüfung muss. Da die Prüfung für jedes Teammitglied einen ganzen Tag dauert, habe ich 6 Tage Zeit. Nicht mehr, nicht weniger.
6 Tage?
Nicht annähernd die Zeit, die ich brauche, um völlig gesund und dann auch wieder fit zu werden. Nicht ausreichend Zeit, um alles das zu lernen, was ich bei den Prüfungen wissen muss.
Kapitel 6
Wir sitzen alle um den runden Glastisch in unserem Kommunikationsraum, als Trish
Weitere Kostenlose Bücher