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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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war ein Licht. Erst vor innerem Auge, dann auch vor blinzelndem Auge. Die Tür stand einen Spalt offen und irgendwer war hier, so halb im Raum. Schlaftrunken hob Jule den Kopf und zuckte zusammen. Herr, lass es ein Traum sein, bitte.
    »Jule?«, fragte eine weiche, unbekannte Frauenstimme.
    Oh gütiger Gott, lass es eine Fata Morgana sein. Jule räusperte sich mühsam. »Frau-Frau Bo-Bogacz?«
    »Ja.«
    »Oh … äh, ha-hallo.«
    »Hallo, Jule. Können wir kurz reden?«
    »Si-Sicher.« Schlagartig hellwach setzte sich Jule auf, doch …
    »Lule«, nuschelte Ewa und zog sie zurück in die Kissen.
    Jule schoss die Hitze in den Kopf. Ihr Blick pendelte zwischen der wartenden Bogacz senior und der weggetretenen Bogacz junior, die innig an ihr hing wie eine Vierjährige am heißgeliebten Schmuseteddy. Schnell griff Jule nach Ewas Hand, hob sie an und wollte sich aus der allzu verräterischen Umklammerung lösen. Doch immer wieder erneuerte ihre Süße die Umarmung, robbte sogar noch dichter und kuschelte sich so eng als möglich an Jule heran.
    »Ewa, hey …«
    »Nisch gehen.«
    »Aber ich …«
    »Lule.« Glückselig schnaufte der Zwerg und schien selbst im Schlaf keine Widerrede zu akzeptieren. »Meine Lule.«
    »Äh, öhm … Sekunde, Frau Bogacz. Wir haben’s gleich.« Ein entschuldigender Blick Richtung Mutti.
    Fieberhaft ratterte es in Jules Hirn. Der zukünftigen Schwiegermama weiter was vorzukuscheln war taktisch gewagt. Also ging Jule zum Angriff über. Ganz sanft küsste sie Ewas Wange. Als Antwort kam ein wohliges Brummen. Ihre Süße bewegte sich, gluckste schnuffig, als die Schweitzer’sche Mähne ihre Nase kitzelte und sie lockerte endlich den Griff. Mit einer geschmeidigen Drehung wandte sich Jule raus. Kaum in der Senkrechten, zupfte sie an ihrer Boxershort, strich glättend über Arielle, richtete flink ihr zerzaustes Haar und näherte sich barfuß im Halbdunkel so sympathisch wie möglich der rundlichen kleinen Frau im Strickpulli.
    »Küche?«
    Jule nickte und folgte.

KAPITEL 14

    Flackernd ging die Winnie-Puuh-Deckenlampe an. Jule verzog sich auf die Eckbank und rieb sich verstohlen die Augen. Zum einen, weil ihre Kontaktlinsen brannten, die sie im Eifer des Gefechts vergessen hatte herauszunehmen, ganz grandios. Zum anderen, weil … Mist, leider kein Traum. Einen sonderlich gefährlichen Eindruck machte Ewas Mutter nicht, jedoch auch keinen überschäumend herzlichen. Der nussbraune Pagenkopf mit vereinzelt grauen Strähnen schmiegte sich an die fülligen Wangen in zartrosa. Ähnlichkeiten zwischen ihr und Ewa gab es, etwa die Größe und die gesegnete Oberweite. Nur die Augen – puh, solch funkelndes, intensives Grün hatte Jule zuvor noch nie gesehen. Bei diesem Blick blieb man kleben.
    »Tee?«, fragte Mama Bogacz.
    »Ge-gerne.« Jule lächelte verkrampft.
    Ewas Mutter kannte sich offenbar bestens aus in Alicjas Küche. Schwupp, war der Wasserkocher gefüllt und angeschmissen, zwei Tassen wurden hervorgekramt und eine Box voller Teebeutel.
    »Schwarz? Grün? Pfefferminz? Waldfrucht? Zitrone?«
    »Pfefferminz, bitte.« War Pfefferminz sympathisch?
    Wortlos versenkte Mama Bogacz einen Beutel und reichte Jule den Lucky-Luke-Becher, ehe sie sich ihr direkt gegenüber an den Tisch setzte. Schweigen. Sie fixierten beide ihre Tassen, als bräuchte der Tee ihre volle Aufmerksamkeit beim Ziehen. Da schob sich schwanzwedelnd der Kleine in den Raum. Zielstrebig tapste er vorbei an Mutti direkt auf Jule zu und schlabberte ihr übers nackte Knie. Brav, du bist Team Berlin ab jetzt.
    »Hey, mein Kleiner.« Jule überhäufte Wuffi mit kraulenden Streicheleinheiten. Siehste, Mutti? Der mag mich, nimm dir ein Beispiel und …
    » Leżeć !« Rums. Ein gebrülltes Wort und sofort trollte sich der Kleine und presste sich neben seinen Napf auf den Boden.
    Jule zog ebenfalls den Kopf ein, als galt das scharfe Kommando ihr. Okay, Platz befolgte sie schon artig, äh, wenn das eben Platz geheißen hatte. Oder wie heißt ›Stirb‹ auf Polnisch? Nervös kaute Jule an ihrem Daumen herum, ertappte sich dabei, ließ es sein, machte den Rücken gerade, die Schultern hoch, Brust raus, um dann wieder ein paar Zentimeter zu schrumpfen.
    »Was denken Sie gerade, Jule?«
    Wie bin ich in diese Scheiße reingeraten, wie komme ich hier lebend raus und wo ist aktuell mein Pfefferspray? »Alles und nichts«, rutschte es ihr über die Lippen.
    Mama Bogacz hob eine Augenbraue. »Heißt?«
    Tja, wenn man das so wüsste. Jule tunkte

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