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Violett ist nicht das Ende

Violett ist nicht das Ende

Titel: Violett ist nicht das Ende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Hueller
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verschluckte sich an ihrem Tee. »Äh … wie bitte?«
    »Können Sie mir das Gefühl beschreiben?« Mama Bogacz ließ nicht locker. Aus irgendeinem Grund war diese Sache wichtig für sie. Blöd. War ja nicht gerade ein Schweitzer’sches Fachgebiet.
    Jule strich sich eine Strähne aus der Stirn und kratzte ihr Laien-Wissen zusammen. »Puh, also … tja. Ganz ehrlich? Es ist total krank. Also nein, nicht krank im Sinne von krank, sondern einfach … verrückt. Himmel, ich bin dreißig. Äh, Sie wussten hoffentlich, dass ich älter bin als Ewa, nicht viel, aber doch, also … spielt ja keine Rolle. Nur hatte sich bei mir alles schon eingependelt. Ich mag Männer, auch erotisch und so, und es war okay, mir hat nichts gefehlt. Dann … kam Ewa.«
    »Und dann?« Mama Bogacz trommelte auf ihrem Henkel herum.
    »Tja.« Jule zuckte die Schultern. »Ich weiß echt nicht, wie das passiert ist. Wir waren nur Viola und Babett. Die Figuren waren verschossen, nicht wir. Selbst beim Flaschendrehen haben wir total professionell geknutscht, und auf einmal … war da was zwischen uns. Und irgendwie hab ich mich verliebt, einfach so.«
    »Tatsächlich?«
    »Krass, oder? Damit rechnet doch niemand. Auf einmal hatten wir eine Beziehung, zack-peng. Dabei sind wir so unterschiedlich, da passt überhaupt nichts, und doch alles. Weil da dieses Kribbeln ist, verstehen Sie? Ameisen, wow, überall. Schon allein, wenn Ewa mich anguckt mit ihren Knopfaugen und Ihrem Grünstich da drin, oder wenn sie lacht oder flucht, wham! Wenn sie mich küsst, so zärtlich, so leidenschaftlich mit Zunge, dann brennt mir so was von die … oh. So-sorry, ‘tschuldigung, Frau Bo-Bogacz. Keine Details. Ich wollte nicht, ich wollte nur … also … das ist … aufregend, wie gesagt. Und doch …«
    »Was?«
    »Fühle ich mich … wohl mit Ewa. Irgendwie zu Hause.« Überrollt von ihren eigenen Worten zog Jule den Kopf ein. »Klingt beknackt, oder? Weil Sie doch Ewas Zuhause sind, ihre Familie und …«
    »Jule, wissen Ihre Eltern Bescheid?«
    »Himmel, nein!«, entfuhr es Jule.
    »Warum nicht?«
    »Weil … wissen Sie, weil … nun ja … die Geschichte mit Ewa ist noch mächtig frisch. Das muss sich erst einspielen und in ein paar Monaten, Jahren, da könnte man eventuell mal …«
    »Schämen Sie sich für meine Ewka?«
    »Nein!«
    »Aber Sie drücken sich vor … wie sagt man? Coming-out, richtig?«
    Jule schluckte. »Ich … würde es wohl gerne, wenn ich könnte.«
    »Haben Sie kein gutes Verhältnis zu Ihren Eltern?«
    »Im Gegenteil. Wir sind uns schon … ziemlich wichtig.«
    Mama Bogacz lehnte sich zurück. »Warum laufen Sie dann weg?«
    Die Frage war gut, verdammt gut und auch gemein. Aber die Antwort lag doch irgendwie auf der Hand. »Na ja, mit meiner Familie … das, das ist ein bisschen tricky. Bayern. Konservativ katholisch ist da so drin in denen. Musical finden sie geil, vor allem die Premieren mit rotem Teppich, und wenn die mich auf der Bühne sehen, wie ich Blumen kriege und Applaus und irgendwer Jule-Jule brüllt, dann strahlen die sich nen Wolf und platzen fast vor Stolz. Total süß. Damit kann man ja auch angeben, aber …«
    »Aber?«, bohrte Mama Bogacz nach.
    »Am Anfang ging Liebes Leben auch, so grundsätzlich. Nur diese Rolle … Erst waren sie sauer auf die Produktion, auf die Schreiberlinge, dann stinkig auf mich, weil ich gemeint habe, schnurz, ich spiel die bisexuelle Drogentrulla. Ist mein Beruf, ich bin Profi und das können sie auch jedem Kleinstadthirni reindrücken, falls blöde Sprüche kommen.« Jule fixierte ihre Tasse. »Aber die anderen sind ja gar nicht so das Problem.«
    »Sondern?«
    »Meine Mutter.«
    »Oh.«
    »Jetzt bloß nicht falsch verstehen, bitte. Die ist toll und hat einen verdammt guten Job gemacht. Nur …« Jule atmete tief durch. »Sobald ich an Viola rumbagger, dann … Himmel, das nimmt die echt mit. Wenn ich jetzt mit einer Frau ankomme, puh.«
    »Erklären Sie es ihnen, Jule.«
    »Wird schwer. Zumal die immer noch an meinem Ex hängen. Da geht für die nichts drüber. Diesen Zirkus hat Ewa nicht verdient. Da kann sie nämlich so wundervoll sein, wie sie nun mal ist, aber die Arschkarte hat sie trotzdem, gleich doppelt. Frau und obendrein nicht der Lieblingsschwiegersohn.«
    »Also wäre Ihr Plan …«
    »Ewa und ich werden einfach glücklich. Das geht niemanden was an. Diese Beziehung ist mir viel zu wichtig, um …«
    »Eben«, sagte Mama Bogacz. »Nehmen Sie sich alle Zeit, die Sie brauchen. Nur

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