VIRALS - Nur Die Tote Kennt Die Wahrheit
wusste, wie hoch die Einsätze waren.«
Marlo, Duncan und Short wurden des zweifachen Mordes und des vierfachen versuchten Mordes angeklagt. Was ich davon halte? Sperrt die Kerle ein und werft den Schlüssel weg.
Kits Großzügigkeit kam auch uns Virals zugute. Obwohl eine schockierend lange Liste von Naturschutzgebieten und Museen uns ein lebenslanges Hausverbot erteilt hat, kam es zu keiner einzigen Anklage.
Da wir noch minderjährig sind, wurden unsere Namen in den Medien verschwiegen. Kaum jemand wusste, was wirklich passiert war und wie wir die alte Handschrift entdeckt hatten. Uns konnte das nur recht sein. Den Ruhm durfte Kit einheimsen.
Der Mann, der ein Vermögen gestiftet hatte, sorgte landauf, landab für Schlagzeilen. Kit wurde zu einem Star der lokalen Berichterstattung. Whitney war im siebten Himmel.
» Wie läuft die Auktion?«, fragte Shelton.
» Die letzten Dublonen sind heute Morgen weggegangen«, antwortete Hi. » Super Preis. Ich hab den eBay-Account geschlossen und das Geld transferiert. Ist doch perfekt gelaufen.«
Jemand überprüfte das Mikrofon. Ein lautes Klopfen schallte über das Gelände. Kit blätterte nervös durch einen Stoß Karteikarten.
Aus dem Augenwinkel heraus nahm ich eine Bewegung wahr. Ein Silberstreif außerhalb des Zauns, der das Grundstück umgab. Ich schaute genau hin, wusste, dass dies kein Zufall war.
Coop erschien, Whisper an seiner Seite. Buster und Polo drängten sich hinter ihnen zusammen und komplettierten das Familienporträt.
Sie sollten nicht hier sein. Zu riskant.
Vielleicht lag es an der fröhlichen Atmosphäre oder an meinem Übermut.
Vielleicht an meiner Freude darüber, dass Kit die Anerkennung bekam, die er verdiente.
Oder an der Gegenwart meiner besten Freunde. Meines Rudels.
Wie dem auch sei, ich wollte ein bisschen Spaß haben.
Ich setzte meine Sonnenbrille auf.
Tauchte in mein Unterbewusstsein hinab.
Klick.
Der Schub durchpulste mich. Die Verwandlung war sanfter und kostete weniger physische Anstrengung als früher.
Aber die Folgen blieben unberechenbar. Ein Rätsel. Und das Virus bescherte uns nach wie vor Albträume.
Ach, was soll’s. Konzentrier dich.
Ich schloss die Augen und zapfte die Tiefen meines Bewusstseins an. Gesichter nahmen Gestalt an. Ich. Ben. Hi. Shelton. Und Coop, der durch den Zaun blickte.
Ich hatte es zu erklären versucht, aber die anderen hatten es nicht ganz verstanden– bis auf den zentralen Punkt, dass unsere mentale Verbindung nur dann zustande kam, wenn das Rudel vollzählig war. Wir wussten zwar nicht, was das bedeutete, doch unsere Verbindung erfüllte uns mit Zuversicht.
In meinem Geiste sah ich die glühenden Drähte. Sie leuchteten noch heller, wenn Coop in der Nähe war. Der Wolfshund war die letzte Verbindung.
Ich öffnete die Augen und schickte eine kurze Botschaft auf die Reise.
Haut ab!
Coop bellte, drehte sich herum und verschwand im Wald.
Neben mir zuckten die anderen Virals zusammen.
Drei Stimmen zischten unisono.
» Verschwinde aus meinem Kopf!«
Lächelnd kam ich ihrer Aufforderung nach, als Kit aufstand und zum Podium schritt.
Um nichts in der Welt wollte ich den großen Tag meines Vaters verderben.
© Marie-Reine Mattera
Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal und ist unter anderem als forensische Anthropologin für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Tempe-Brennan-Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf allen internationalen und deutschen Bestsellerlisten. Ihre Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt. Im Fernsehen laufen Tempe Brennans Fälle seit Jahren höchst erfolgreich als Fernsehserie » Bones– Die Knochenjägerin«.
» Virals« ist ihre erste Jugendbuch-Thrillerserie.
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