VIRALS - Tote können nicht mehr reden - Reichs, K: VIRALS - Tote können nicht mehr reden
Grippesymptome? Auch weg?«
Alle nickten.
Karsten stieß die Luft aus. Erleichtert.
Doch seine Erleichterung währte nicht lange.
»Es gibt aber auch Nebenwirkungen«, fuhr ich fort.
»Nebenwirkungen?«
»Wir nennen es Schübe.«
Ich erklärte ihm, was es damit auf sich hatte. Wie unser Bewusstsein sich weitete, unsere Sinne sich schärften. Wie heftig und schnell diese Anfälle kamen. Und wie unsere Augen einen goldenen Glanz bekamen.
Karsten wäre fast vom Stuhl gekippt. Wir konnten ihn gerade noch festhalten.
»Das ist ja unglaublich!« Karstens Kopf wiegte sich hin und her. »Unglaublich …«, wiederholte er.
»Okay, Doc«, sagte Hi. »Wir sind unglaublich. Aber was sollen wir jetzt tun?«
»Könnt ihr diese Fähigkeiten jederzeit abrufen?«
»Nein«, antwortete ich. »Darauf haben wir keinen Einfluss. «
»Aus euren Beschreibungen geht hervor, dass diese Schübe durch starke sensorische Erregungen getriggert werden. Und durch Stress.«
»Was bedeutet das?«, fragte Shelton.
»Ich glaube, dass diese außerordentlichen Kräfte durch eine Stimulierung des Limbischen Systems in eurem Gehirn verursacht wird.«
»Und was heißt das nun wieder?«, wollte Ben wissen.
»Neuroanatomie ist sehr kompliziert«, antwortete Karsten ein wenig herablassend.
»Das bin ich auch.«
Bens Stimme hatte einen bedrohlichen Unterton. Karsten versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
»Im Limbischen System gibt es einen Ort, der Hypothalamus genannt wird. Er steuert das vegetative Nervensystem, indem er bestimmte Hormone produziert und ausschüttet.
Das vegetative Nervensystem beeinflusst Herzschlag, Verdauung, Atmung, Speichelfluss, Schweißabsonderung, Pupillengröße etc.«
»Und?«, fragte Ben.
»Ich vermute, das Virus hat eure DNA verändert. Und diese Veränderung hat sich auf die Arbeitsweise eures Gehirns ausgewirkt.«
Mir schlug das Herz bis zum Hals.
Karsten fuhr fort, ohne sich klarzumachen, welche Ängste er damit auslöste.
»Großer Stress führt im menschlichen Körper zu hormonellen Reaktionen«, erklärte er. »Das ist ganz normal. Aber in eurem Fall scheinen diese Reaktionen eine neue Qualität erreicht zu haben. Wenn ihr Angst habt oder euch bedroht fühlt, dann entwickelt ihr die physische Stärke und das Wahrnehmungsvermögen von Wölfen.« Karsten schluckte. »Offenbar hat mein hybrider Virenstamm dafür gesorgt, dass ihr euch mit dem Caninen Parvovirus infizieren konntet.«
Es herrschte absolute Stille im Raum. Eine fast unwirkliche Stille, die aus den unterirdischen Regionen des Bunkers, vom Himmel, vom Meer und von den Dünen zu kommen schien. Unsere Herzen hämmerten im Gleichklang.
»Können Sie uns heilen?«, krächzte ich schließlich.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Karsten leise. »Aber ihr habt mein Wort, dass ich alles Menschenmögliche versuchen werde.«
Plötzlich stieß Coop ein tiefes, grollendes Knurren aus.
Ich stellte mich zwischen den Hund und Karsten. Doch Coop beachtete mich nicht. Seine Augen waren erneut auf den Eingang des Bunkers fixiert.
»Was ist los, Junge?«
Coops Kopf drehte sich zu mir, dann zurück zum Eingang.
Er ließ die Ohren hängen, doch jeder Muskel schien angespannt zu sein. Er bellte drei Mal, laut und aggressiv.
Wir alle erstarrten.
Von draußen drangen Stimmen zu uns.
Mehrere Stimmen.
KAPITEL 53
»Schhh!«, wisperte ich. »Haltet Coop fest.«
Ich schlüpfte halb durch die Öffnung und duckte mich in den Kriechgang hinein. Was ich draußen sah, erschreckte mich bis ins Mark.
Dort standen mehrere Personen, alle in Schwarz gekleidet. Einer von ihnen hielt eine Pistole in der Hand. Sie standen etwa sechs Meter vom Bunker entfernt und diskutierten erregt miteinander.
Ich zog mich wieder zurück.
»Wir haben Gesellschaft bekommen. Drei Männer. Mindestens einer von ihnen ist bewaffnet.«
»Sind das Freunde von Ihnen?«, fragte Hi.
»Nein«, antwortete Karsten. »Ich bin euch beiden« – er richtete einen zitternden Finger auf Shelton und Hi – »von Morris aus gefolgt. Ich hab keine Ahnung, wer diese Leute sind.«
»Es gibt keinen Hinterausgang.« Ben ballte die Fäuste. »Wir kommen hier nicht raus. Am besten, wir schnappen sie uns, wenn sie hineinkriechen.«
»Bist du verrückt?« Shelton fasste sich ans Ohr. »Vielleicht sind die alle bewaffnet.«
»Haben wir eine andere Wahl?«, zischte Ben. »Wir sitzen in der Falle.«
»Was ist mit dem Fenster?«, fragte Karsten.
Ich schüttelte den Kopf. »Die Absprungkante ist zu weit weg
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