Virga 01 - Planet der Sonnen
fliehen können.«
Der Waffenmeister starrte sie entgeistert an. »Ich hoffe, das war nur ein Scherz.«
»Manchmal weiß ich das selbst nicht so genau.« In diesem Moment löste sich eine Schar von Offizieren der Krähe aus dem Staub. Sie wurden von einer Mauer von Männern zurückgedrängt, die durch die geöffneten Türen am anderen Ende in den Ballsaal strömten. Inzwischen sahen sich die Slipstreamer bereits mit einer dreifachen Übermacht konfrontiert, und es würde noch schlimmer werden.
»Es ist aussichtslos!«, rief der hübsche junge Travis. Sein Schwert war blutig, und das Haar klebte ihm an der Stirn. »Auf dem Weg, den wir nehmen müssten, kommt uns eine ganze Armee entgegen.«
»Wir müssen diesen Flur räumen«, sagte Chaison. »Was gäbe ich für eine Rakete!«
»Wie wäre es mit einem Jet?« Hayden Griffin tauchte wieder einmal aus dem Staub auf. Diesmal lag sein Gesicht im Schatten, und mit dem Schwert und der zerrissenen Lederkluft sah er aus wie ein Barbar.
Er rannte zur Ecke, wich den heftigen Schwenks des wild gewordenen Bikes so lange aus, bis er den Lenker zu fassen bekam, schwang sich in den Sattel und bemühte sich, mit den Füßen über den Boden schleifend, das Gefährt unter Kontrolle zu bekommen. »Aus dem Weg!«, rief er. Travis wandte sich um, stieß einen Schrei aus, packte seinen Nebenmann an der Schulter und riss ihn mit sich zu Boden. Dahinter waren mehrere erschrockene gehellesische Angreifer zu sehen.
»Aerie!« Es war nicht der Schlachtruf, den Venera erwartet hätte, aber das kümmerte sie nicht - das Bild, wie Griffin mit voll aufgedrehtem Gas in einem Funkenregen
durch den Ballsaal schoss, würde sie ihr Leben lang nicht vergessen. Männer flogen durch die Luft, aber das Bike beschleunigte weiter. Venera stieß einen Schrei aus, halb Jubelruf und halb Verwünschung, und griff nach einem feindlichen Schwert, das ihr vor die Füße gefallen war. Travis und die anderen Offiziere von der Krähe schrien ebenfalls und warfen sich in die Bresche, die Griffin in die feindlichen Reihen geschlagen hatte.
Ein dumpfer Schlag erschütterte das Gebäude, und ein Lichtblitz drang durch den Korridor, in dem das Bike verschwunden war. Mahallan kreischte, und Venera dachte: Das war das Ende meines Chauffeurs. Doch nein, als sie mit einer Gruppe von Krähen -Offizieren den Korridor betrat, lag Hayden Griffin zwischen den Soldaten, die er mit seinem Bike beiseitegeschleudert hatte. Er stützte sich auf seinen Ellbogen, und als ein Feind verwegen genug war, seinem Beispiel zu folgen, setzte ihm Venera die Spitze ihres Schwertes an die Kehle und sagte freundlich: »Liegen bleiben!«
»Bin abgesprungen, als das Bike die Türen passiert hatte«, sagte Griffin gerade zu Mahallan. »Kommen Sie!« Er humpelte voran. Doch Mahallan stand nur da und vergrub das Gesicht in den Händen.
Venera klopfte ihr auf die Schulter. »Worauf warten Sie noch? Wollten wir nicht ein paar Männer töten?«
Sie war überrascht, als Mahallan lachte und ihre Pistole hob. »Stimmt!« Dann rannten sie den Offizieren hinterher.
Das Ende des Korridors war ein einziges Flammenmeer; der Kerosintank des Bikes war explodiert. Hinter den Flammen standen fluchende Soldaten. Einige
feuerten wild um sich, und einer der Slipstreamer ging mit einer Kugel im Hals zu Boden. Währenddessen trat Travis ein paar Schritte vom Feuer entfernt mit voller Wucht die Holzvertäfelung der Seitenwand nieder. »Hier entlang.«
Vor ihnen lag so etwas wie ein Dienstbotenkorridor. Sie drängten sich hinein. Chaison zeigte mit seinem Schwert nach links. »Aber da kommen die Soldaten doch her!«, protestierte Venera.
»Da geht es zum Ausgang«, sagte er. »Ich werde diesen Tag nicht mit dem Rücken zur Wand beenden.« Er rannte in die angegebene Richtung, ohne auf eine Antwort zu warten.
Erschrockene Diener sprangen beiseite; sie wirkten fast komisch mit ihren Stelzenbeinen und den verängstigten Gesichtern. Venera fühlte sich stark und lebendig, das Wissen, dass sie hier wahrscheinlich sterben würde, rüttelte sie auf wie ein Stromschlag. Im Moment war ihr alles egal. Sie folgte ihrem Mann, ohne auf das Geschrei und die Zurufe zu achten.
Hayden konnte unterwegs nur ein paarmal kurz einen Blick zur Seite werfen, doch was er von den Zimmern der gehellesischen Dienerschaft sah, fand er befremdlich, ja erschreckend. Zum Beispiel gab es Flaschenzugsysteme, mit denen in Schwerelosigkeit aufgewachsene Menschen von Raum zu Raum gleiten
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