Virga 01 - Planet der Sonnen
konnten. Sie kamen an einem Mann vorbei - zwei Meter zwanzig groß und sicher nicht mehr als fünfundsiebzig Kilo schwer -, der hilflos an einer dieser Apparaturen hing und mit kraftlosen Füßen hektisch über den Boden scharrte, um ihnen den Weg frei zu
machen. Niemand tat ihm etwas zuleide. Überall standen Rollatoren, Krücken und weiche Sessel, und die meisten Räume waren mit großen Wassertanks ausgestattet, in die sich die erschöpften Männer und Frauen in ihren seltenen Arbeitspausen legten, um sich zu erholen.
»Wie in einem verdammten Krankenhaus«, murmelte Travis, als sie an mehreren Dienern vorbeiliefen, die auf ihren Pritschen hockten.
Vor ihnen krachten Schüsse. »Sie haben uns den Weg versperrt«, sagte Fanning. Es klang nicht überrascht.
Jemand ließ einen ganzen Schwall farbenfroher Flüche vom Stapel. Hayden drehte sich um und sah einen kostbar gekleideten Mann mit einem tiefroten Feuermal aus einer Seitentür winken. »Hierher, ihr Narren!«
Fanning zog eine Augenbraue hoch. »Folgen Sie ihm«, befahl er.
Der Mann, wohl irgendein Würdenträger, war auf geheimen Wegen außen herum gekommen und hielt nun die Tür zu den Repräsentationsräumen des Palastes offen. Hayden betrat einen riesigen Innenhof. Zu beiden Seiten führten elegant geschwungene Freitreppen nach oben. An den Wänden hingen Porträts in zwei-, wenn nicht dreifacher Lebensgröße. Die kunstvoll geschnitzten Geländerpfosten hatten die Form von Fabelwesen. Von ferne waren Stimmen zu hören, aber bislang hatte kein feindlicher Fuß den dichten Flor des roten Teppichs niedergetreten. »Nicht dastehen und gaffen, hinauf, hinauf!«, wütete der Würdenträger. Er folgte der Offiziershorde und fügte hinzu:
»Warum haben Sie eigentlich nicht den einzigen Mann, der sich in diesem Palast auskennt, nach dem Weg gefragt?«
»Weil ich dachte, Sie wären tot, Reiss«, gab Fanning achselzuckend zurück.
»Hier hinein!« Hayden ließ sich durch eine massive Tür und den düsteren oberen Flur drängen und betrat schließlich eine große, über mehrere Stockwerke reichende und mit mehreren Galerien versehene Bibliothek, deren Rückwand ganz aus geschliffenen Glasscheiben bestand. Sie hatte nur noch eine weitere Tür, und einige von den Männern liefen sofort dorthin, um sie sicher zu verschließen. »Was jetzt?«, wandte sich Fanning an Reiss.
Während die beiden Männer sich heftig gestikulierend berieten, ging Hayden zu Aubri. Sie stand bei Venera Fanning, die so ruhig und gefasst aussah wie immer. »Alles in Ordnung?«
Aubri nickte. »Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass dieser Flug durch das Fenster klappen könnte.«
»Ich habe ihn nur gewagt, weil Sie keine Einwände hatten. Sie sind die erfahrene Technikern! Ich dachte, Sie würden schon etwas sagen.«
»Ach!«
Venera lachte. »Sie müssen mir erzählen, wie es zu alledem kam.«
Hayden wurde abgelenkt, weil es hinter ihm laut wurde. Fanning brüllte Reiss an: »Aber wir müssen weiter!«
Der Botschafter ließ sich nicht einschüchtern. »Admiral, früher oder später müssen wir von diesem Habitat springen. Es gibt keinen Weg zu den Dockanlagen.
Diese Bibliothek ragt über den Rand des Rades hinaus; eine bessere Stelle für einen Sprung werden Sie nicht finden.«
»Wir sitzen in der Falle!« Einer der Männer an der hinteren Tür winkte. »Von dieser Seite kommen sie in Scharen.«
»Von hier auch!«
»Ist das nicht großartig«, murmelte Fanning.
»Richard, was geht hier vor?«
Für einen Moment verstummten alle Gespräche. Niemand hatte bisher die zwei reich gekleideten Frauen mit den Fächern in den Händen bemerkt, die plötzlich mitten im Raum standen. Als Reiss sie sah, erbleichte er (selbst das Feuermal verblasste) und stammelte. »L-lady Dristow, was für eine Überraschung! Ich … ich meine …«
Die ältere der beiden trat vor und bewegte dabei ihren Fächer vor dem vogeleiblauen Mieder auf und ab. »Wir sind hierhergekommen, um uns in Ruhe zu unterhalten, Richard. Stattdessen platzt eine Horde von hysterischen, mit Schwertern bewaffneten Barbaren herein.« Sie musterte Admiral Fanning von oben herab. »Das ist Hausfriedensbruch, mein Herr.«
»Türen verschließen!«, befahl Fanning. »Und reißt diese Gardinen herunter! Vielleicht können wir sie gebrauchen.« Erst jetzt wandte er sich an die beiden Frauen. »Ich muss mich entschuldigen, Gnädigste. Die Umstände zwingen uns, Ihre Bibliothek für ein paar Minuten mit Beschlag zu belegen. Ich würde
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