Virtuelle Küsse (German Edition)
wohl eher eine Kloschüssel für meinen Brechreiz gebraucht- eine
große, schlanke, blonde Frau mit Modelmaßen suchte.
Dann doch lieber dunkelhaarig, dachte ich, und wenn sowas das Einzige war, was sich für ein
Date zur Verfügung stellte, dann blieb ich in Zukunft doch lieber allein!
Ich war mit meinen 168 cm zwar nicht übermäßig groß, der Rest konnte sich für meine 36
Jahre aber durchaus sehen lassen. Ich hatte die dunklen Haare und die schön geschwungenen
Lippen meiner Mutter geerbt und die dunkelbraunen, fast schwarzen Augen meines Vaters,
was meinem Gesicht einen fernöstlichen Touch verlieh. Mit meinen 51 kg konnte ich mit
jeder jüngeren Frau aus unserem Städtchen konkurrieren. Da ich in meiner Freizeit viel und
gerne draußen war, spazieren ging und joggte, war ich trainiert und ohne Schwimmringe um
die Hüften.
Ich war seit zwölf Jahren geschieden. Meine Hochzeit mit Ralph war eine totale
Fehlentscheidung gewesen, und ich gratulierte mir selber heute noch stolz, dass ich die Sache
mit meinen damals 24 Jahren in gutem Einvernehmen für beide beenden konnte. Meine
Scheidung hatte ich nie bereut.
Ich war fürs erste von männlichen Super- Exemplaren kuriert und wollte meinen PC gerade
herunterfahren, da sah ich Ihn !
Ein schwarzweisses Foto- er hatte dunkle, lockige lange Haare, die auf einer Seite über seine
Schulter fielen, dunkle intensive Augen, leicht schräg- Schlangenaugen-, schoß es mir sofort
durch den Kopf, den sinnlichsten Mund, den ich jemals an einem Mann gesehen hatte, die
Inkarnation eines stolzen spanischen Conquestadors... Pseudonym "Nice life", 38 Jahre alt,
Sternzeichen Skorpion- so ein Zufall aber auch, gerade das Sternzeichen, was angeblich am
besten zu meinem passte, und das, mit dem ich mich schon immer am besten austauschen
konnte, in welcher Form auch immer- keine Kinder, und einen ansprechenden Text, wie er
sich selbst beschrieb: 1,80 m groß, viel Phantasie und Leidenschaft, neugierig und triebhaftwas immer das auch heißen mochte-, 'mag tiefgründige Gespräche, liebe Sonne, Wasser und
die Nacht, sportlich, selbstständig in der PC-Branche tätig...' Das war schon eher nach
meinem Geschmack! Und sowas lief noch frei herum? Und auch noch ganz in meiner Nähe?
Ich konnte es fast nicht glauben, dass, wenn das alles stimmte was er schrieb, ich diesem
außergewöhnlichen Exemplar hier in der Gegend noch nie begegnet war. Wo trieb er sich
herum, und was schrieb man so einem Mann? >Hallo - hier schreibt Dir Dani Mercier, ich
habe auf Deine Seite gesehen und wohne wahrscheinlich ganz in Deiner Nähe- schau doch
mal auf mein Profil und wenn Du denkst, dass wir uns was zu sagen haben könnten, dann
würde ich mich über eine Antwort von Dir freuen...<, ja, das war es - und dann ein virtueller
Kuss, denn Interesse hatte ich ja schon- Interesse ???
Ich hätte ihn am liebsten aus dem PC gezogen und vor mich hingestellt damit ich ihn in echt
und ganz sehen konnte, damit ich in diese schönen Augen sehen konnte- und klicken auf
>senden<.
3
Dieses Briefchen lag jetzt schon in seinem Postfach! Meins! Zur Beruhigung zündete ich mir
eine Zigarette an, stand auf und ging in die Küche um mir einen Café Latte durch die
Kaffeemaschine zu lassen. Ich hatte eine unmißverständliche Einladung ausgesprochen an
einen Mann, den ich nicht kannte, der mich aber auf den ersten Blick fasziniert hatte. Wenn
ich es recht bedachte, konnte mir doch auch gar nichts passieren. Wenn er antwortete, wovon
ich ja ausging, dann musste ich trotzdem nicht wieder zurückschreiben, falls ich es mir bis
dahin anders überlegen würde. Ich hatte noch überhaupt keine Erfahrung mit Internet-Dates.
Aber es war vielleicht eine gute Gelegenheit jemanden kennenzulernen. Ihn kennen zu lernen.
Ich nahm meinen heißen Café Latte mit ins Wohnzimmer, warf noch einen letzten Blick auf
sein schönes Gesicht, schaltete dann den PC ab und dachte nach.
Wenn ich wartete, bis Er bei mir vor der Tür stand, konnte ich warten bis zum St.
Nimmerleinstag. In meinem kleinen Dorf, wo ich seit 25 Jahren lebte und wo eigentlich jeder
jeden kannte, und die Zugezogenen auch nicht lange unerkannt blieben, war es so gut wie
unmöglich, jemanden kennenzulernen. Oder besser gesagt- ich kannte sie alle schon und es
war meines Wissens bisher kein männliches Exemplar dabei, welches meinen Puls zum
beschleunigen bringen würde.
Am besten konnte man die Alt- Eingesessenen samstags beim einkaufen beobachten. Hier war
es Tradition dass jeder
Weitere Kostenlose Bücher