Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
andauernd.«
    Sie standen mitten in einem Einkaufszentrum. Die
    Geschäfte waren alle mit Brettern vernagelt, oder ihre Scheiben waren weiß getüncht. Es war entweder unterirdisch oder überdacht. »Weil sie die Brille also in 'nem Hotel mit IntenSecure-Wachpersonal geklaut hat, haben die Warbaby geholt?« Rydell sah Chevette Washington an. Sie sah wie eins dieser Chromdinger auf den Schnauzen antiker Autos aus, nur daß sie eine Gänsehaut an den Schenkeln bekam. Nicht gerade warm hier drin, was Rydell auf den Gedanken brachte, daß sie vielleicht doch unter der Erde waren.
    »Weißt du was, Rydell?«
    »Was?«
    »Du hast nicht die geringste Scheiß-Ahnung. Ich kann dir erzählen, so viel ich will, du wirst die Situation nie begreifen. Es ist einfach zu groß, als daß einer wie du das schnallen würde. Du kannst gar nicht in solchen Dimensionen denken. IntenSecure gehört der Firma, deren Eigentum die Informationen in dieser Brille sind.«
    »Singapur«, sagte Rydell. »Und DatAmerica? Gehört das auch Singapur?«
    »Das kann man nicht beweisen, Rydell. Der Kongreß konnte es auch nicht.«
    »Schauen Sie mal, die Ratten da drüben ...«
    »Du willst mich durcheinanderbringen ...«
    373
    Rydell beobachtete, wie die letzte der drei Ratten in dem Laden verschwand, der Das Loch genannt worden war. Sie kamen durch eine offene Lüftung oder so rein.
    Durch ein Loch. »Nein. Ich hab sie gesehen.«
    »Ist dir eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, daß du jetzt nicht hier wärst, wenn dieser verdammte Lucius Warbaby letzten Monat nicht angefangen hätte, Skateroller zu fahren?«
    »Wieso das?«
    »Er hat sich dabei das Knie kaputtgemacht.
    Warbaby macht sich das Knie kaputt, kann nicht fahren, und du landest hier. Denk drüber nach. Was sagt dir das über das Spätstadium des Kapitalismus?«
    »Worüber?«
    »Bringen sie euch auf dieser Polizeiakademie
    eigentlich gar nichts bei?«
    »Doch«, sagte Rydell, »'ne ganze Menge.« Und er
    dachte: Zum Beispiel, wie man mit verrückten
    Arschlöchern redet, wenn man als Geisel festgehalten wird, nur daß er Mühe hatte, sich ins Gedächtnis zu rufen, was sie gesagt hatten. Sie zum Reden bringen und nicht zuviel widersprechen, so was in der Art. »Wie kommt's eigentlich, daß alle wie die Wilden hinter dem Zeug in der Brille her sind?«
    »Sie wollen San Francisco neu aufbauen. Von Grund auf, im Prinzip. Wie Tokio. Sie werden damit anfangen, ein Gitter aus siebzehn Komplexen in die vorhandene Infrastruktur zu legen. Achtzigstöckige Büro-und 374
    Wohngebäude, mit Geschäften und Wohnungen unten
    drin. Absolut autark, Parabolspiegel mit variabler Neigung, Dampferzeuger. Neue Gebäude, Mann; die werden ihr eigenes Abwasser saufen.«
    »Wer wird Abwasser saufen?«
    »Die Gebäude. Sie werden sie züchten, Rydell. Wie sie's jetzt in Tokio machen. Wie den Tunnel für die Magnetschwebebahn.«
    »Sunflower«, sagte Chevette Washington und
    schaute dann drein, als ob sie es bereute.
    »Da hat doch jemand geguckt ...« Goldzähne blitzten.
    »Äh, he ...« Versuch's mit dieser Rede-mit-den—
    bewaffneten-Irren-Masche.
    »Ja?«
    »Und wo liegt das Problem? Wenn die das machen
    wollen, sollen sie doch.«
    »Das Problem ist«, Loveless begann, sein Hemd
    aufzuknöpfen, »daß eine Stadt wie San Francisco
    ungefähr so viel Bewußtsein dafür hat, welchen Weg sie einschlagen will — welchen Weg sie einschlagen sollte —, wie du. Das heißt, sehr wenig. Es gibt Menschen, Millionen von Menschen, die schon gegen die Existenz eines solchen Plans protestieren würden. Dann wäre da noch das Immobiliengeschäft ...«
    »Das Immobiliengeschäft?«
    »Kennst du die drei wichtigsten Gesichtspunkte beim Immobilienkauf, Rydell?« Loveless' haarlose, mit 375
    künstlichen Pigmenten versehene Brust glänzte vor Schweiß.
    »Drei?«
    »Die Lage«, sagte Loveless, »die Lage und die
    Lage.«
    »Das ist mir zu hoch.«
    »Na klar. Aber den Leuten, die wissen, wo sie
    kaufen müssen, den Leuten, die gesehen haben, wohin die Fußspuren der Türme fallen, denen kann's gar nicht hoch genug sein, Rydell. Die werden steinreich.«
    Rydell dachte darüber nach. »Sie haben auch
    geguckt, hm?«
    Loveless nickte. »In Mexico City. Er hat sie in
    seinem Zimmer liegenlassen. Hätte er nie und nimmer tun dürfen.«
    »Aber Sie hätten auch nicht durchschauen dürfen?«
    Es rutschte ihm einfach so raus.
    Loveless lief der Schweiß jetzt nur so runter, trotz der Kälte. Es war, als ob sein gesamtes limbisches

Weitere Kostenlose Bücher