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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Schenkel ging.
    »Aber dann, nach ein paar weiteren Monaten,
    zwanzig Flügen, zwei Dutzend Hotels, tja, dann kehrt es sich allmählich um ...«
    »Man liebt sie nicht mehr?«
    »Nein. Du fängst an, darauf zu warten, daß sie Mist bauen, Rydell. Du fängst an, darauf zu warten, daß sie das in sie gesetzte Vertrauen mißbrauchen. Denn die Verantwortung eines Kuriers ist was Schreckliches.
    Was Schreckliches.«
    »Eines Kuriers?«
    »Schau sie an, Rydell, sie weiß es. Sie weiß es. Auch wenn sie nur vertrauliche Papiere in San Francisco herumkutschiert, sie ist ein Kurier. Man vertraut ihr etwas an, Rydell. Die Daten nehmen feste Gestalt an.
    Sie transportiert sie. Stimmt's nicht, Baby?«
    369
    Sie war so reglos wie eine Sphinx. Die weißen Finger hatten sich tief in den grauen Stoff des mittleren Sitzes gegraben.
    »Das ist mein Job, Rydell. Ich passe dabei auf sie auf. Ich überwache sie. Manchmal versucht jemand, ihnen was wegzunehmen.« Er trank die Cola aus. »Diese Leute bringe ich um. Das ist eigentlich das Beste an meinem Job. Warst du schon mal in San José, Rydell?«
    »In Costa Rica?«
    »Genau.«
    »Noch nie.«
    »Da wissen die Leute zu leben.«
    »Sie arbeiten für diese Datenhäfen«, sagte Rydell.
    »Das hab ich nicht gesagt. Jemand anders muß es
    gesagt haben.«
    »Und er auch«, sagte Rydell. »Er kam aus Costa
    Rica und sollte diese Brille jemandem bringen, und sie hat ihm das Ding weggenommen.«
    »Und ich war froh, daß sie's getan hat. So froh. Ich war im Zimmer nebenan. Ich bin durch die Verbindungstür rein. Ich hab mich vorgestellt. Er ist Loveless begegnet. Zum ersten und letzten Mal.« Die Pistole bewegte sich keinen Millimeter, aber er begann sich mit der Hand im Gummihandschuh am Kopf zu kratzen. Als ob er Flöhe hätte oder so.
    »Loveless?«
    »Mein Deckname. Mein Nome de sowieso.« Dann ein langes Silbengerassel, das Rydell für Spanisch hielt, 370
    aber er bekam nur nombre de irgendwas mit. »Meinst du, sie ist eng, Rydell? Ich mag's nämlich, wenn sie eng sind.«
    »Sind Sie Amerikaner?«
    Sein Kopf ruckte ein wenig zur Seite, als Rydell diese Frage stellte, und sein Blick verschwamm einen Moment lang, aber dann wurde er wieder klar, so klar wie der verchromte Ring um die Mündung seiner Pistole. »Weißt du, wer mit den Häfen angefangen hat, Rydell?«
    »Kartelle«, antwortete Rydell. »Die Kolumbianer.«
    »Stimmt. Sie haben in den achtziger Jahren die ersten Expertensysteme nach Mittelamerika gebracht, um ihre Transporte zu koordinieren. Jemand mußte runtergehen und diese Systeme installieren. Krieg gegen die Drogen, Rydell. Haufenweise Amerikaner auf beiden Seiten, da unten.«
    »Tja«, sagte Rydell, »jetzt fabrizieren wir hier oben unsere eigenen Drogen, nicht wahr?«
    »Aber sie haben die Häfen, da unten. Sie brauchen das Drogengeschäft nicht mal mehr. Sie haben jetzt das, was die Schweiz früher hatte. Sie haben den einzigen Ort auf der Welt, wo die Leute das aufbewahren können, was sie woanders nicht aufbewahren können, weil es sie teuer zu stehen käme.«
    »Sie sehen ein bißchen jung aus, um bei deren
    Aufbau mitgemacht zu haben.«
    »Mein Vater. Kennst du deinen Vater, Rydell?«
    »Na klar.« Jedenfalls gewissermaßen.
    371
    »Ich hab meinen nie kennengelernt. Bin deshalb
    reichlich in Therapie gewesen.«
    Wie schön, daß es was geholfen hat, dachte Rydell.
    »Arbeitet Warbaby auch für die Häfen?«
    Schweiß war dem Mann auf die Stirn getreten. Jetzt wischte er ihn mit dem Rücken der Hand weg, in der er die Pistole hielt, aber Rydell sah, daß sie wie von einem Magneten angezogen wieder in ihre alte Position zurückschnellte.
    »Schalt die Scheinwerfer ein, Rydell. Ist schon okay.
    Nimm die linke Hand vom Lenkrad.«
    »Warum?«
    »Weil du tot bist, wenn du's nicht tust.«
    »Aber wozu?«
    »Tu's einfach, okay?« Schweiß lief ihm in die Augen.
    Rydell nahm die linke Hand vom Lenkrad, schaltete das Licht ein und ging dann auf Fernlicht. Zwei Lichtkegel bissen in eine Wand von toten Läden, toten Schildern und Staub auf Plastik. Der Laden vor dem linken Lichtkegel hieß DAS LOCH.
    »Wie kann man 'nen Laden bloß so nennen?« sagte
    Rydell.
    »Versuchst du, mich durcheinanderzubringen,
    Rydell?«
    »Nein«, sagte Rydell, »ist nur so 'n komischer Name.
    Alle diese Läden sehen ja jetzt wie Löcher aus ...«
    372
    »Warbaby ist nur 'ne bezahlte Hilfskraft, Rydell.
    IntenSecure schaltet ihn ein, wenn irgendwo 'ne
    Schlamperei läuft. Und so was passiert

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