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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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bewegte. Er trug Gummihandschuhe und denselben langen Mantel, den er angehabt hatte, als er aus dem Wagen der Russen ausgestiegen war; das Ding sah aus wie ein australischer Staubmantel aus schwarzem Mikropore.
    »Woher hat sie gewußt, daß sie uns bei diesem
    Tätowierungsladen auflesen konnte?«
    »Warbaby mußte ja für was gut sein. Er hatte dir ein paar Leute zur Unterstützung nachgeschickt.«
    »Hab niemand gesehen«, sagte Rydell.
    »Solltest du auch nicht.«
    »Sagen Sie mir eins«, sagte Rydell, »haben Sie diesen Blix oben im Hotel erledigt?«
    Der Mann sah ihn über den Lauf der Waffe hinweg
    an. Da eine so kleine Bohrung in der Regel nicht viel Schaden anrichtete, vermutete Rydell, daß die Munition auf irgendeine Weise frisiert war. »Ich versteh nicht, was das mit dir zu tun hat«, sagte er.
    Rydell dachte darüber nach. »Ich hab ein Bild davon gesehen. Sie sehen einfach nicht so verrückt aus.«
    »Das ist mein Job«, sagte der Mann.
    Mhm, dachte Rydell — als ob er einen Pommes—
    frites-Computer bedienen würde. Rechts von der Tür waren ein Kühlschrank und ein Waschbecken, also konnte er nicht nach dort, das wußte er. Wenn er nach 362
    links sprang, würde der Kerl vermutlich einfach Löcher in die Wand stanzen und wahrscheinlich auch das Mädchen erwischen.
    »Denk nicht mal dran.«
    »Woran?«
    »An die Heldennummer. Den Bullenscheiß.« Er nahm
    die Füße vom mittleren Sitz. »Mach einfach folgendes: Langsam. Ganz langsam. Setz dich auf den Fahrersitz und leg die Hände ans Lenkrad. Neun Uhr und zwei Uhr. Laß sie dort. Wenn du sie wegnimmst, mach ich dir ein Loch hinters rechte Ohr. Aber du wirst's nicht hören.« Sein langsamer, gleichmäßiger Tonfall erinnerte Rydell an einen Tierarzt, der auf ein Pferd einredete.
    Rydell tat, was er ihm befohlen hatte. Er konnte
    draußen nichts sehen. Nur Dunkelheit und die
    Spiegelungen der Innenbeleuchtung. »Wo sind wir?«
    fragte er.
    »Magst du Einkaufszentren, Rydell? Gibt's welche
    bei euch in Knoxville?«
    Rydell warf ihm einen Seitenblick zu.
    »Augen nach vorn, bitte.«
    »Ja, gibt's bei uns.«
    »Das hier ist nicht so gut gelaufen.«
    Rydell drückte die Schaumstoffpolsterung des
    Lenkrads zusammen.
    »Entspann dich.«
    Rydell hörte, wie er der Trennwand einen Tritt mit dem Stiefelabsatz verpaßte. »Miss Washington! Raus 363
    aus den Federn, Miss Washington! Beehren Sie uns mit Ihrem Besuch!«
    Rydell hörte den zweifachen dumpfen Knall, als sie aus dem Schlaf schreckte, aufzuspringen versuchte, sich den Kopf stieß und vom Bett fiel. Dann sah er in der Windschutzscheibe das Spiegelbild ihres weißen Gesichts in der Tür. Sah, wie sie den Mann und die Pistole erblickte.
    Sie gehörte nicht zu denen, die sofort loskreischten.
    »Sie haben Sammy Sal erschossen«, sagte sie.
    »Und du hast versucht, mich mit Strom zu braten«, sagte der Mann, als ob er es sich jetzt erlauben könnte, den Witz darin zu sehen. »Komm hier raus, dreh dich um und setz dich rittlings auf die Mittelkonsole! Ganz langsam! So ist es gut. Jetzt beug dich vor und stütz die Hände auf den Sitz!«
    Sie landete neben Rydell, die Beine zu beiden Seiten der Instrumentenkonsole, mit dem Gesicht nach hinten.
    Als ob sie ein Spielzeugpferd reiten würde.
    Auf diese Weise mußte er seine Kanone nur um fünf Zentimeter bewegen, um sie beide in den Kopf zu schießen.
    »Ich möchte, daß du deine Jacke ausziehst«, sagte er zu ihr. »Dazu wirst du die Hände vom Sitz nehmen müssen. Sieh zu, daß du immer wenigstens eine Hand auf dem Sitz behältst. Laß dir ruhig Zeit.«
    364
    Als sie die Jacke so weit ausgezogen hatte, daß sie sie nur noch von der linken Schulter schütteln mußte, fiel sie herunter, gegen die Beine des Mannes.
    »Sind da irgendwelche Spritzen drin?« fragte er.
    »Irgendwelche Messer oder andere gefährliche
    Gegenstände?«
    »Nein«, sagte sie.
    »Was ist mit elektrischen Ladungen? Auf dem Sektor hast du dir ja schon einiges geleistet.«
    »Nur die Brille von diesem Arschloch und ein
    Telefon.«
    »Siehst du, Rydell«, sagte er. »›Das Arschloch‹. So wird man ihn im Gedächtnis behalten. Namenlos. Noch so ein namenloses Arschloch ...« Er durchsuchte die Jackentaschen mit seiner freien Hand, brachte das Etui und das Telefon zum Vorschein und legte sie auf die tiefe, gepolsterte Verschalung am Armaturenbrett des Wohnrnobils. Rydell hatte jetzt den Kopf rumgedreht und beobachtete ihn, obwohl er es ihm verboten hatte.
    Er sah zu, wie die behandschuhte

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