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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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auf alle möglichen Bösewichter feuern konnte, die ihrerseits zurückschossen, und dann erhielt man die Wertung. So ähnlich wie bei SSS auf der Akademie, aber die Auflösung war nur ungefähr halb so gut, und was ganz fehlte, war — nun ja — die Farbe.
    Rydell hatte jedoch die Variante am besten gefallen, bei der man einfach reinging und Dinge aus dem Nichts 427
    formte, aus dieser Wolke von Pixeln oder Polygonen oder was immer. Dabei konnte man sehen, was andere zur gleichen Zeit taten, und hatte sogar die Möglichkeit, die Sachen zu kombinieren, wenn beide es wollten. Er war ein bißchen befangen gewesen, weil es etwas zu sein schien, das in erster Linie Mädchen machten. Die Mädchen formten immer Einhörner und Regenbogen und so was, und Rydell entwarf gern Autos, Traumautos gewissermaßen, als ob er ein Designer irgendwo in Japan wäre und alles bauen könnte, was er wollte. Man bekam bunte Printouts, wenn man fertig war, oder eine Kassette, wenn man sein Geschöpf animiert hatte.
    Hintendrin waren immer ein paar Mädchen gewesen, die Schönheitsoperationen an ihren eigenen Bildern durchführten, an ihren Gesichtern und ihren Haaren rumbastelten und sich Printouts machen ließen, wenn ihnen ein Resultat wirklich gefiel.
    Rydell war meistens näher am Eingang gewesen,
    hatte Gitter aus grünem Licht um einen von ihm
    entworfenen Rahmen geformt und dann Farbe und ein festes Äußeres drübergelegt, um zu sehen, wie verschiedene Entwürfe aussahen.
    Woran er sich jedoch erinnerte, als er sich nun in den Visaphonraum der Republik der Sehnsucht einschaltete, war der dabei entstehende Eindruck von der Beschaffenheit des Raums um die Traumwände herum.
    Und das war seltsam, denn wenn man von seiner
    augenblicklichen Tätigkeit aufschaute, war eigentlich 428
    überhaupt nichts da; nichts besonderes jedenfalls. Aber wenn man mittendrin war, wenn man sein Auto entwarf, oder was auch immer, beschlich einen manchmal so ein komisches Gefühl, daß man sich über den Rand der Welt hinausbeugte und daß dahinter ein Abgrund unendlicher Leere lag.
    Und man hatte das Gefühl, daß man nicht auf dem
    Boden eines alten Kinos oder einer Bowlingbahn stand, sondern auf einer Ebene oder vielleicht einer Glasscheibe, und es war, als ob sie sich Meilen um Meilen hinter einem dehnte, ohne ein wirkliches Ende.
    Als er nun vom Betrachten des Logos der
    Telefongesellschaft übergangslos auf die Glasfläche dort draußen überwechselte, sagte er einfach nur »Oh«, weil er ihre Ränder erkennen und sehen konnte, daß sie ganz eben war und daß um sie herum und über ihr diese völlig farblose und alle Farben zugleich enthaltende Wolke, dieser Nebel oder Himmel war, der irgendwie brodelte.
    Und dann diese Gestalten: größer als Wolkenkratzer, größer als alles andere, deren Brust ungefähr auf gleicher Höhe mit dem Rand der Ebene war, so daß sich Rydell wie ein Insekt oder ein kleines Spielzeug vorkam.
    Eine war ein Dinosaurier, eine dieser Tyrannosaurus-Rex-Figuren mit den kurzen Vorderbeinen, nur daß sie in etwas endeten, was verdammt große Ähnlichkeit mit Händen hatte. Eine war eine Art Statue, wie es aussah, oder eher eine bizarre natürliche Formation, von Spalten und Rissen durchzogen, die jedoch wie ein Mann mit 429
    breitem Gesicht und Dreadlocks geformt war; das
    Gesicht war entspannt, die Lider halb geschlossen. Sie bestand aber nur aus Stein und Moos; die Dreadlocks fielen in dicken Schichten von wahren Schiefergebirgen herab.
    Dann schaute er sich um, sah die dritte und sagte nur, »du meine Güte.«
    Es war ebenfalls eine Gestalt, und genauso groß,
    aber sie bestand nur aus Fernsehbildern, die sich bewegten, sich umeinander wanden und ineinander schlangen und kaum fähig zu sein schienen, die Form beizubehalten, die sie angenommen hatten: etwas, das ein Mann oder eine Frau sein mochte. Ihm taten die Augen weh, wenn er versuchte, irgendeinen Teil davon allzu genau anzuschauen. Es war, als ob man eine Million Kanäle gleichzeitig sehen würde, und dieser Lärm stürzte herab wie ein Wasserfall von Felsen, eine Art Rauschen, das irgendwie überhaupt kein Geräusch war.
    »Willkommen in der Republik«, sagte der
    Dinosaurier mit der Stimme einer schönen Frau. Er lächelte, und das Elfenbein seiner Zähne war zu ganzen Tempeln geschnitzt. Rydell versuchte, sich die Schnitzereien anzusehen; eine Sekunde lang wurden sie ganz klar, dann geschah etwas.
    »Du hast nicht mal ein Drittel der Bandbreite, die du brauchtest«,

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