Virus (German Edition)
Hong, Tran Quoc Tuan und Makinwa an”, erklärte Holger. „Sie waren perfekt
vorbereitet und bedurften keines Zutuns mehr. Was ist, wenn sich die Killer für
dich etwas Ähnliches ausgedacht haben?”
Wenn dies überhaupt möglich war,
so wurde Debbie noch blasser. Holger hasste es, dafür verantwortlich zu sein, doch
auf der anderen Seite zeigte ihre Angst ihm auch, dass seine Theorie nicht
völlig abwegig und nicht nur aufgrund der hämmernden Schmerzen in seinem
gemarterten Hirn entstanden war.
„Es tut mir leid, Debbie”, sagte
er, während es diesmal an ihm war, ihre Hand zu streicheln.
„Schon gut”, erwiderte sie mit krampfhaft
starker Stimme. „Und was schlägst du jetzt vor?”
„Es gibt nur einen Weg,
herauszufinden, ob ich Recht habe”, sagte Holger, während er Debbies Hand losließ
und aus seinem Bett aufstand. Er musste sich an dem Nachttisch neben seinem
Krankenbett festhalten, denn zu dem pochenden Schmerz gesellte sich nun Schwindel.
Es half alles nichts. Er konnte unmöglich im Bett bleiben, während sich Debbie
weiterhin in Lebensgefahr befand. Er musste sie beschützen.
„Du brauchst Ruhe”, sagte Debbie.
Wenig Überzeugung schwang in ihrem Tonfall mit.
„Wir müssen herausfinden, ob ich
Recht habe”, erwiderte er mit schwacher Stimme und in abgehackten Worten. Der
Schwindel trieb ihn an den Rand einer Ohnmacht. Doch er würde durchhalten. Er
würde sie beschützen.
„Und wie finden wir das heraus?”
fragte sie.
„Wir fragen Somniak.”
Nur nicht umkippen. Der
Schwindel geht vorbei.
„Und du glaubst, Somniak wird es
uns erzählen?”
„Ja.”
–––––
Die Angst war zurück und die gute
Laune des Morgens wie weggeblasen. Mit Krämpfen im Magen saß Debbie leicht vorn
übergebeugt, die Arme wie zum Schutz vor Unheil um den Unterleib geschlungen,
im Fond des Taxis, das sie und Holger quer durch Rostock vom Universitätsklinikum
zur Polizeidirektion brachte.
Sie blickte zu Holger hinüber,
der so aussah, als werde ihn jeden Moment die Ohnmacht übermannen. Was für zwei
Witzfiguren sie doch waren. Und sie sollten sich den Fallen der Killer stellen?
Woher bloß nahm Holger seine Sicherheit, Somniak würde ihnen sagen, ob er auch
für den Mord an Debbie Vorkehrungen getroffen hatte, oder ob sie durch Bobbys
Tod sicher war.
Ein Signalton ihres Blackberrys
riss sie aus ihren Gedanken und vermeldete den Eingang einer neuen Email. Sie
kam von Physik Professor Russell Milton, der als geeignetes Versteck für einen
Cockroft-Walton-Generator einen Fahrstuhlschacht vorschlug. Debbie staunte über
die Einfachheit der Lösung. Konnte tatsächlich seit Jahren ein riesiger
Generator unbemerkt in einem Aufzugschacht versteckt sein?
Sie erreichten die
Polizeidirektion, ohne auf der ganzen Fahrt auch nur ein einziges Wort
gesprochen zu haben. Die Angst, diese schreckliche Angst, lastete wie ein
Felsblock auf ihnen. Der einzig beruhigende Gedanke war, dass der G8-Gipfel am
Nachmittag sein Ende nehmen würde. Dann würde alles vorüber sein – so oder so.
Das Reporterheer vor der
Polizeidirektion hatte sich enorm gelichtet. Nahezu unbemerkt konnten sich
Debbie und Holger zwischen den vereinzelten Verbliebenen hindurch schlängeln.
Erst als sie die Stufen zum Eingang fast erreicht hatten, wurden sie erkannt
und es bildete sich doch noch eine kleine Menschentraube um sie herum.
Schnell jedoch war ein
untersetzter Polizist mit Schnäuzer zur Stelle, der die Journalisten
auseinandertrieb und Debbie und Holger eine Gasse öffnete. Es handelte sich um
den gleichen Polizisten, der sie zwei Tage zuvor nach dem Disput mit Holger
verhaftet hatte. Offenbar hatten die Ereignisse der letzten zwölf Stunden seine
Einstellung grundlegend verändert.
Im Innern des Gebäudes herrschte
eine seltsame Stimmung, eine Mischung aus Schock über Wegmanns Selbstmord und Freude
über das glimpfliche Ende der Geiselnahme sowie den damit verbundenen Abschluss
des Falls. Auf ihrem Weg zu Herforths Büro hörte Debbie auf den Fluren überall
Fetzen von Beschreibungen der Heldentat Wegmanns – teilweise abenteuerlich
ausgeschmückt. Auch Debbie mochte nicht mehr an ihre Zwiste mit dem Kommissar
und ihren Hass auf ihn zurückdenken. Er hatte ihr das Leben gerettet und dafür
würde sie ihm ewig dankbar sein.
Sie fanden Herforths Bürotür
offen vor und betraten den Raum mit einem Höflichkeitsklopfen an den Türrahmen.
Die Beamtin saß an ihrem Schreibtisch, die Füße auf den Tisch gelegt, und
guckte
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