Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
Krentler einen Platz an und verließ dann den Raum durch eine zweite Tür. Krentler zog seinen Mantel aus und legte ihn über den Sitz. Es raschelte. Sein Nachbar warf ihm einen mißbilligenden Blick zu. Fast wie im Kino, dachte Krentler und setzte sich.
Die Grafik zeigte fünf horizontale Balken, die nebeneinander auf einer Linie angeordnet waren. Jeder der Balken war in drei Segmente unterteilt, in denen jeweils eine Zahl stand. Meyer, der in der Nähe der Leinwand stand, kommentierte.
„Sie sehen also, dass wir auf jeden Fall den Kontakt zwischen Nutzgeflügel und Wildvögeln verhindern müssen. Die Krankheit darf gar nicht erst ausbrechen. Sonst können wir gleich alle Hühnchen schlachten und verbrennen, die kauft uns dann keiner mehr ab. Das geht nur durch die Durchsetzung einer rigiden Stallpflicht.“
„Einverstanden.“ sagte der Minister, „Frau Mischke, bitte bereiten Sie eine Erklärung vor. Wenn irgendwo auch nur ein Federvieh den Kopf aus dem Käfig streckt, dann kommen die Keulkommandos. Und schreiben Sie nochmal rein, dass die Regierung alles Notwendige veranlasst hat und dass wir die Lage im Griff haben. Und den Kollegen von der Liste der embedded journalists können Sie gleich eine Einladung für die Insel schicken. Die sollen auf Rügen ein paar schöne Porträts von unsern Jungs machen wie die den Strand aufräumen.“ Die junge Frau, die er angesprochen hatte, notierte sich den letzten Satz und verschwand.
Krentler zog die Stirn in Falten. Das waren ja schwere Geschütze. Militär. Schon als kleiner Junge war es ihm seltsam vorgekommen, wenn die andern Jungs mit ihren Plastiksoldaten im Sandkasten Krieg gespielt hatten. Er hatte lieber Pyramiden gebaut. Die waren im Eifer des Gefechts meistens zerstört worden, von allen Seiten. Danach hatte er die Bombenkrater zuschütten müssen, um die Pyramiden wieder aufzubauen. Manchmal hatte ihm dieses kleine Mädchen geholfen, mit den langen Haaren und dem schüchternen Mund, wie hatte die nochmal geheißen..
„Doktor Krentler?“
„Ja?“ Krentler schreckte hoch. Der Minister sah in fragend an.
„Geht es ihnen nicht gut?“
„Doch, doch, ich bin nur etwas müde. Der lange Flug, Jetlag, sie wissen schon.“ Das war gelogen. Er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Seine Augen tränten. Mit dem Unterarm wischte er sich über die Stirn.
„Dann können wir ja weitermachen.“ sagte der Minister. „Ich freue mich, dass sie so schnell hier sein konnten. Wie sie sehen, ist die Lage ernst, aber nicht aussichtslos. Ich weiß, dass die Übertragung des Virus auf den Menschen in Deutschland sehr unwahrscheinlich ist. Ausschließen kann man es nicht. Ich möchte von ihnen wissen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist.“
Krentler schüttelte leicht den Kopf. Reiß dich zusammen, Mann, es ist gleich vorbei. Er zog sein Jackett aus und krempelte die Hemdsärmel hoch, um sich zu sammeln.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Virus hier auf einen Menschen überträgt, ist in der Tat gering, solange die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Und selbst bei einer Übertragung wäre zunächst nur eine Person betroffen. Das Virus ist noch nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Es fehlen noch einige Mutationsstufen, die das Virus nicht so schnell durchlaufen kann. Jedenfalls nicht bei uns. Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit für das Virus, sich an den Menschen anzupassen: wenn es mit einem menschlichen Virus Erbinformationen tauscht. Man nennt das Rekombination. Das kann passieren, wenn ein Wirtskörper mit beiden Viren infiziert ist.“
Krentler räusperte sich. Warum war die Luft in diesen Räumen nur immer so verdammt trocken? Und warum war es hier so verdammt heiß? Er bat um ein Glas Wasser.
„Wie kann man so eine Doppelinfektion verhindern?“ fragte der Minister und rückte nervös seine Brille zurecht.
„Töten sie das Nutzgeflügel.“ antwortete Krentler.
„Das tun wir, wenn es infiziert ist.“
„Nein, ich meine: töten sie das gesamte Nutzgeflügel. Bevor es infiziert ist.“
„Sie wissen genau, dass das nicht geht. Wer soll das bezahlen? Mit solchen Vorschlägen kann ich nichts anfangen.“
„Anders ist eine Infektion nicht auszuschließen.“
„Danke, Herr Krentler, das reicht.“ Verärgert wandte der Minister sich ab. Er notierte etwas in sein Notizbuch, bevor er sich an den Mann wandte, der gegenüber von Krentler saß und die Szene mit starrem Gesicht verfolgt hatte. Erst jetzt bemerkte Krentler die schwarze
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