Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
viermal Ravioli. Eine grüne Plastikplane, zwischen vier Pflöcken gespannt, sollte ein Dach bilden. Leider haperte es noch etwas an der Konstruktion, die Pflöcke wollten im weichen Boden nicht halten. Vor vier Tagen war ihr die Idee gekommen, das Überdach des neuen Iglu-Zelts zu benutzen. Sie hatte es schon heimlich aus der Garage geholt, um am nächsten Tag damit zum Teich zu gehen. Am Abend waren dann die toten Schwäne im Fernsehen gewesen.
Aber wenn die Vögel krank sind, muss man ihnen doch helfen, dachte Marie beim Einschlafen. Tobias bekam schließlich auch Medizin, weil er krank war, und angesteckt hatte sie sich bei ihm auch nicht. Und dass Vögel keinen Löffel in den Mund nehmen konnten, das wusste sie. Sie konnte den Hustensaft ja in ein Schälchen tun.
Im Traum stand sie wieder an der Klippe, sah die Vögel vorbei ziehen und fühlte sich auf einmal ganz schwerelos. Sie breitete die Arme aus und merkte, dass sie zu Flügeln wurden. Der Wind fuhr unter ihre Federn, trug sie sanft in die Luft und über die Kante in Richtung des v-förmigen Zugs der Vögel, der zum Horizont führte.
3
Als Krentler in Berlin aus dem Flughafen trat, regnete es. Vor dem Ausgang stellte er seinen Koffer ab, um sich den Mantel zuzuknöpfen. Eine träge Flut von Menschen quoll durch den Ausgang, floss an ihm vorbei, wurde aufgefangen von wartenden Taxis, deren leuchtende Schilder im Nieselregen einen gelben Halo bildeten. Neben ihm nieste eine Frau und schneuzte sich, bevor sie in ein Taxi stieg. Der Fahrer schnitt eine Grimasse, während er ihre Tür schloss. Auf der anderen Straßenseite parkten Autos im Halteverbot, um abgeholten Verwandten oder Freunden den naßkalten Weg zum Parkplatz zu ersparen. Regenschirme wurden aufgeklappt und verbargen die Gesichter ihrer Träger im Halbschatten. Wie kleine Blutkörperchen am pulsierenden Herzen schoben sich die Taxis und Autos am Ausgang vorbei, nahmen Menschen auf wie Sauerstoff, um sie über die Autobahn dem Organismus der Stadt zuzuführen, die im grauen Dunst nur zu erahnen war.
Krentler zog seinen Mantel enger um. Er fröstelte. Auf der anderen Straßenseite hielt ein dunkelblauer Mercedes. Ein Mann im dunklen Anzug stieg aus und überquerte die Straße. Zielstrebig ging er auf Krentler zu.
„Doktor Krentler?“
„Ja?“
„Mein Name ist Schickelbach, ich arbeite für das Gesundheitsministerium. Ich soll sie abholen. In zwei Stunden findet eine Sitzung des Krisenstabs statt. Es tut mir leid, dass es so schnell gehen muss, aber der Minister ist sehr besorgt angesichts der Lage.“
„Hören sie, ich komme gerade aus Hongkong, der Flug hat zwanzig Stunden gedauert, ich bin verschwitzt und müde. Als erstes brauche ich eine Dusche und dann einen starken Café. Danach können wir über eine Sitzung verhandeln. Bitte bringen sie mich nach Hause.“
„Es tut mir leid, das wird nicht gehen. Ich habe Anweisung, sie unverzüglich ins Ministerium zu bringen.“
„Enweder sie bringen mich zuerst nach Hause, oder ich steige in eines dieser Taxis.“
Schickelbach hatte bereits sein Telefon gezückt und telefonierte.
Unterwegs erzählte er, dass man auf Rügen weitere infizierte Tiere gefunden und den Notstand ausgerufen hatte. Seuchenexperten der Bundeswehr desinfizierten alle Fahrzeuge, die von der Insel aufs Festland fuhren. Er schaltete das Radio ein, eine Sprecherin erzählte das gleiche noch einmal. Krentler schwieg. Die Rücklichter der vorausfahrenden Autos leuchteten verwischt durch den Regen. Die gedämpften Geräusche der Reifen auf der nassen Straße lullten ihn ein. Sie näherten sich der Stadt.
*
Krentler atmete schwer, als er am Treppenabsatz zu seiner Wohnung ankam. Ihm war leicht schwindlig. In der Tür stand seine Frau Marianne. Lächelnd ging er auf sie zu. Sie legte die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Ihre Wangen und Lippen schmiegten sich warm an sein Gesicht.
„Schön, daß du da bist.“ sagte sie.
Eine Mädchenstimme rief „Hallo Papa! Was machst du denn hier?“
„Ich wohne hier.“ sagte er lachend und löste sich von seiner Frau, um seine Tochter Sonja auf den Arm zu nehmen. „Und du?“
„Ich auch.“ antwortete sie mit Schmollmund. „Schon seit sechs Jahren.“
„Und hast du hier auch eine Dusche?“
„Klar! Mit Shampoo und Brausekopf.“
„Ob ich das wohl mal benutzen kann?“ Er setzte sie ab und betrat die Wohnung. Marianne schloß die Tür. Sie nieste. Erst jetzt sah er, dass sie einen Schal trug.
„Bist du krank?“ fragte er.
„Ja,
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