Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)
Uniform.
„Was sagen ihre Seuchenexperten, Oberst Reinhardt?“
„Das Gebiet um die Wittower Fähre ist gesichert. Wir desinfizieren jedes Auto, das die Insel verläßt. Fünf weitere Teams suchen die Bodden ab, drei zu Wasser und zwei zu Land. Falls Luftunterstützung benötigt wird, sind wir bereit. Wir haben die Lage absolut unter Kontrolle.“
„Gut.“ Der Minister steckte seinen Notizblock in die Tasche und stand auf. „Ich werde noch die Presse informieren. Sie können jetzt nach Hause gehen, wir sehen uns morgen abend achtzehn Uhr wieder hier. Vielen Dank.“
Als Krentler aus dem Fahrstuhl trat, war die Lobby leer. Ein paar Stative standen einsam in einer Ecke. Die vollen Aschenbecher auf den Tischen erinnerten an die Meute, die sich kurz zuvor noch auf die beiden Männer gestürzt hatte. Jetzt waren alle bei der Pressekonferenz und schrieben die Worte von Frau Mischke in ihre Blöcke. „…dann kommen die Keulkommandos.“ Krentler versuchte, sich vorzustellen, wie die Bauern reagieren würden. Würden sie auch demonstrieren? Oder würden sie dem Kommandoführer willig den Schlüssel für den Stall in die Hand drücken und viel Erfolg wünschen? In China hatte er Bauern weinen sehen, wenn die Soldaten mit ihren Flammenwerfern innerhalb weniger Minuten alle seine Hühner verbrannt hatten. Die Hühner, mit denen er aufgewachsen war, mit denen er sein Haus teilte, die von ihm lebten wie er von ihnen.
In der S-Bahn lehnte Krentler seinen Kopf gegen die kühle Scheibe. Eigentlich hatte er ein Taxi nehmen wollen, aber dann war er zur Friedrichstraße gelaufen, um noch etwas frische Luft zu schnappen. Jetzt ärgerte er sich. Das Neonlicht im Waggon brannte ihm in den Augen, und bei jedem Halt legte sich der Luftzug eiskalt um seinen Hals. Er konnte spüren, wie seine Schleimhäute anschwollen.
Ein Mann mit schmutziger Kleidung und verzottelten Haaren betrat die Bahn.
„Guten Abend, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich bitte vielmals um Entschuldigung für diese kleine Störung. Aber wie sie selber merken ist es draußen schweinekalt. Ich verkaufe die Straßenzeitung und wäre froh, wenn mir der eine oder andere ein Exemplar abkaufen würde, damit ich heute nacht nicht erfrieren muß.“
Langsam ging er an den Sitzreihen vorbei. Krentler bekam einen Hustenanfall. Der Obdachlose setzte sich neben ihn und klopfte ihm beherzt auf den Rücken.
„Na, wohl wat im Hals stecken jeblieben, wa? Nur immer raus damit.“
Krentler schüttelte den Kopf und wehrte ab. Dann musste er heftig niesen. Der andere hielt ihm ein frisches Taschentuch vor die Nase. Krentler nahm es und schneuzte sich kräftig. So ging es schon besser. Mühsam kramte er sein Portemonnaie hervor und drückte dem Mann fünf Euro in die Hand. Erstaunt ergriff der seine Hand und schüttelte sie kräftig.
„Danke, Alter, dit is echt spitze, dit reicht für zwee Nächte. Ick bin der Kalle, wenn du ma wieda wat brauchst, wa.“
Dann verließ er den Zug.
Am Zoo stieg auch Krentler aus und nahm ein Taxi.
Es war spät, als er in der Danckelmannstraße ankam. Leise schloß er die Wohnungstür auf, um Marianne und die Kinder nicht zu wecken. Er würde im Arbeitszimmer auf dem ausziehbaren Sofa schlafen. In der Küche füllte er ein Glas mit Wasser, um das Kratzen im Hals zu beruhigen. Das war wohl der schnelle Klimawechsel. Schon seit Jahren wollten sie einen Befeuchter in der Wohnung einbauen lassen. Durch die Heizwärme trocknete die Luft immer so aus. Er schlich ins Arbeitszimmer. Marianne hatte das Bett schon gemacht. Er zog sich aus und legte sich zwischen die Decken. Dankbar löschte er das Licht. Bevor er einschlief flimmerte das Bild der schreienden Frau im Krankenhaus von Guangdong vor seinen Augen vorbei.
Im Traum lief er mit Li durch den Dschungel. Sie ging voraus und lächelte geheimnisvoll, wenn sie sich umdrehte. Sie stiegen über Wurzeln hinweg, krümmten sich zwischen dicht stehenden Sträuchern hindurch, die den schmalen Weg überwucherten. Von allen Seiten plärrten die Tiere ihre endlos lärmenden Lieder. Fleischige Blätter legten sich über sein Gesicht. Mit den Armen wischte er sie beiseite. In Strömen lief der Schweiß über seinen nackten Oberkörper. Li nahm seine Hand, die so glitschig war vom Schweiß, dass sie einander wieder entglitten. Ein Schmetterling landete auf ihrem Kopf, sie lachte. Das Lachen klang wie aus weiter Ferne. Schweiß lief ihm jetzt auch über das Gesicht. Seine Augen brannten. Plötzlich stolperte er über
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