Virus - Rückkehr der Vogelgrippe (German Edition)

Apotheke am frühen Morgen, an die Mengen in den Flughäfen, die darauf bestanden, ausreisen zu dürfen, daran, dass Züge, Busse und Straßenbahnen nur noch sporadisch fuhren, weil die Fahrer aus Angst vor Ansteckung zuhause blieben, und an die Polizisten und Soldaten in ihren Kasernen, die durch die Nähe, die dort herrschte, dem Virus schutzlos ausgeliefert waren. Er erinnerte sich an das panische Flimmern in den Augen der schreienden Frau in Guangdong. In ihnen hatte er die Angst gesehen, die außer der Krankheit am gefährlichsten war, weil sie die Menschen dazu trieb, ohne Rücksicht auf andere um ihr Leben zu kämpfen: die Angst im Angesicht des Todes.
Er spürte, wie Li den Arm um seine Schulter legte und ließ es geschehen. Ihr warmer Körper schmiegte sich an ihn. Schweigend blickten sie über die Weite der unter ihnen liegende Stadt. Am Horizont erschien die Dämmerung.
Marie stand auf, legte sich die Bettdecke über die Schultern und ging zum Fenster. Li und Krentler ließen sie zwischen sich schlüpfen. Hinter Maries Rücken verschränkten sich erneut ihre Hände. Li schloss die Augen und genoß die kühle Luft. Marie blickte ernst über die Stadt. Eine Weile standen sie schweigend.
Als Krentler sich langsam lösen wollte, hob Marie den Arm und sagte: „Schau, wie schön sie fliegen.“
     

Virus – Rückkehr der Vogelgrippe
© Liz Bulther | lizbulther.com
Cover: René Niemann | syme.de
Kindle Edition
Berlin 2012