Virus
wurde. Zumindest entsprach das dem, wie es in den beiden vorangegangenen Fällen verlaufen war. Marissa zitterte innerlich bei dem Gedanken daran, mit einer derartigen Menge von Ansteckungsmöglichkeiten im selben Gebäude eingesperrt zu sein, und fragte sich, was sie da wohl dem Personal an Trost spenden könne. Und weiter fragte sie sich, ob es angesichts der großen Zahl von Erkrankten möglich sein würde, das Problem so einzugrenzen, wie das in Los Angeles und St. Louis möglich gewesen war. Der schreckliche Gedanke, daß der Ebola-Virus hinaus in die Allgemeinheit gelangen könne, überstieg ihr Vorstellungsvermögen.
»Wissen Sie zufällig, ob unter den Ausgangsfällen jemand ist, der kürzlich überfallen wurde?« fragte Marissa, mehr um sich abzulenken als in der Hoffnung auf eine bejahende Antwort. Davis blickte sie ganz erstaunt an und hob die Augenbrauen, gerade als ob er die Frage andeuten wolle, ob sie wohl verrückt sei. Das schien ihm als Antwort auf eine derartige Frage offenbar ausreichend. Damit wäre das schon erledigt, dachte Marissa und erinnerte sich an Ralphs diesbezügliche Bemerkung.
Sie hielten schließlich vor einer verschlossenen Tür an. Davis nahm seinen Schlüsselbund heraus, schloß die Tür auf und ließ Marissa auf die Bühne des Auditoriums des Krankenhauses treten. Der Raum war nicht allzu groß und enthielt Sitzplätze für etwa hundertfünfzig Leute. Marissa bemerkte, daß alle diese Plätze besetzt waren und darüber hinaus noch Leute hinten standen. Es herrschte der Lärm vieler gleichzeitig geführter Unterhaltungen. Sie erloschen, als Marissa nervös auf das Podium zuging, während alleAugen auf sie gerichtet waren. Ein großer und ungewöhnlich schlanker Mann erhob sich von einem Stuhl hinter dem Podium und schüttelte ihr die Hand. Direktor Davis stellte ihn ihr als Dr. Weaver vor, den Mann, der sie im Seuchenkontrollzentrum angerufen hatte.
»Frau Dr. Blumenthal«, sagte Dr. Weaver mit einer tiefen Stimme, die einen starken Kontrast zu seiner hageren Gestalt bildete, »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, Sie hier zu sehen.«
Marissa hatte das unangenehme Gefühl, eine Betrügerin zu sein. Und es wurde noch schlimmer. Nachdem er an das Mikrophon geklopft hatte, um zu prüfen, ob es auch funktioniere, begann Dr. Weaver Marissa vorzustellen.
Er tat das mit so glühenden Worten, daß sie sich dabei immer unwohler fühlte. Seine Ausführungen vermittelten den Eindruck, daß sie gleichbedeutend war mit dem ganzen Seuchenkontrollzentrum und daß alle Erfolge dort ihre Erfolge waren. Dann reichte er mit einem breiten Schwenk seines langen Arms das Mikrophon Marissa.
Die junge Ärztin, die sich selbst unter günstigen Umständen noch niemals wohl gefühlt hatte, wenn sie vor einer größeren Anzahl von Leuten hatte sprechen müssen, fühlte sich in dieser Situation vollkommen überfordert. Sie hatte keine Vorstellung davon, was man hier überhaupt von ihr erwartete, und noch viel weniger davon, was sie eigentlich sagen sollte. Die kurze Zeitspanne, die nötig war, um das Mikrophon auf ihre Höhe zu verstellen, nutzte sie zu fieberhaftem Nachdenken.
Marissa warf einen Blick über die Versammlung und bemerkte dabei, daß gut die Hälfte der Leute einen Mundschutz trug. Es fiel ihr weiter auf, daß viele der Anwesenden, Frauen wie Männer, durch Hautfarbe und Gesichtsschnitt die Zugehörigkeit zu verschiedenen Rassen deutlich erkennen ließen. Auffällig war ferner eine große Altersspannweite, und all das erinnerte Marissa an Davis’ Bemerkung, Personal sei eben alles, was für das Krankenhausarbeite, und nicht nur die Ärzte. Alle schauten sie erwartungsvoll an, und sie wünschte sich sehnlichst, mehr Vertrauen in ihre Fähigkeit zu haben, Einfluß zu nehmen auf das, was sich hier in der Klinik abspielte.
»Das erste, was wir tun werden, ist die Absicherung der Diagnose«, begann Marissa mit zögernder Stimme, die höher war als ihr normaler Tonfall. Als sie zu sprechen fortfuhr, ohne indes schon recht zu wissen, in welche Richtung ihre Ausführungen schließlich gehen würden, nahm ihre Stimme allmählich wieder den normalen Tonfall an. Sie stellte sich selbst nochmals in ihrer bescheidenen Rolle am Seuchenkontrollzentrum vor. Dann versuchte sie die versammelte Menge davon zu überzeugen – obwohl sie selbst dessen gar nicht so sicher war –, daß man den Ausbruch der Krankheit unter Kontrolle bringen könne durch strenge Isolierung der Patienten,
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