Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
Mal das Handy in der Hand halten sehen?“
„Das … was ?“
Nicht nur ich stehe da, wie vom Schlag getroffen.
Die ausdruckslosen Gesichter meiner Brüder spiegeln meine eigene Unzulänglichkeit wider.
Sind wir denn alle schon so auf unsere außergewöhnlichen Fähigkeiten fixiert, dass uns die normalsten Dinge nicht einfallen?
„Na, du weißt schon“, unterbricht Lily trocken und wedelt mit ihrem Handy vor meiner Nase herum, „sowas hier … Telefon ohne Schnur … klein … bunt … überall hin mitzunehmen … jederzeit einsetzbar, sofern man nicht vergisst, den Akku aufzuladen.“
Gnadenlose Bewunderung für das Mädchen fegt jedweden anderweitigen Gedanken aus meinem Kopf.
Ob Chief Aggerthon überhaupt weiß, welch großartigen Nachwuchs er mit Rheena und Lily großgezogen hat … welch überragende Agentinnen die beiden einmal werden?
Na ja, jetzt übertreib mal nicht, Kim! Da hättest du auch ohne kriminalistischen Spürsinn drauf kommen können!
Bin ich aber nicht!
Während ich noch damit beschäftigt bin, Lily zu bewundern, hat Vic bereits sein Handy in der Hand und lauscht.
Alle Blicke sind auf meinen Bruder gerichtet.
„Nichts!“, sagt er enttäuscht. „Nicht mal ein Piepton!“
„ Vielleicht ist dein Handy kaputt“, entgegne ich hoffnungsvoll und flitze aus dem Zimmer, um mein eigenes Handy zu suchen.
Großer Gott! Vielleicht hat Kay ja bereits versucht, mich zu erreichen.
Ich finde das Mobiltelefon, nach einigem Wühlen, auf dem Schreibtisch unter meiner Ausarbeitung über den Buddhismus, drücke die Kurzwahltaste 1 und renne zurück in Vics Zimmer.
„ Und?“
Vier Augenpaare sehen mich erwartungsvoll an.
„Nichts“, antworte ich tonlos.
Nachdem es auch Renee und Rheena versucht haben, bleibt nichts als Enttäuschung zurück.
Wieder einmal wird mir unsere Hilflosigkeit bewusst.
Als Vics Handy klingelt, zucken wir alle zusammen.
„Phil!“ Mein Bruder stellt auf Mithören. „Habt ihr Kay gefunden?“
„ Tut mir leid, Junge“, hören wir meinen Dad, „aber das CIA ist informiert. Suchmannschaften sind unterwegs. Sie werden die ganze Gegend um Castillian herum absuchen. Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, da wir auch sein Handy nicht orten konnten ...“
Na sowas!
„ Gibt es bei euch was Neues?“
„ Nein“, flüstert Vic, „nichts.“
Nichts! Nichts! Nichts!
Wie ich dieses verdammte Scheißwort hasse!
„Der Chief schickt ein paar Leute zur Unterstützung nach Castillian“, lässt mein Dad verlauten.
Chief Aggerthon! Oha!
„Ich hoffe, Sie haben keine Schwierigkeiten bekommen, Mr. Prescott“, schaltet Rheena sich in das Gespräch ein.
„ Nein, alles in Ordnung, Rheena“, beruhigt Phil meine Freundin, „nur ein klärendes Gespräch.“
Okaaaayyy!
„Kim, Spätzchen“, höre ich meinen Dad sagen, „ich möchte, dass du weiterhin versuchst, Kay mental zu erreichen. Wir sind auf den kleinsten Anhaltspunkt angewiesen.“
„Natürlich, Dad“, schniefe ich, „wenn er mir nur ein Lebenszeichen geben würde … wenn ich nur wüsste, wo er ...“
Der Gedanke ist so plötzlich da, dass ich taumele.
„ Kim! Was ist los?“
Während Phils angstvolles Gebrüll aus dem Hörer schallt, fängt Renee mich auf und führt mich zum Bett.
„ Vic, antworte mir“, fordert Phil energisch, „was ist passiert?“
„ Ich weiß es nicht, Phil“, antwortet mein Bruder ehrlich.
„ Aber ich“, flüstert Renee, „denke ich wenigstens.“
„ Dann rede endlich“, tobt Phil am anderen Ende der Leitung.
Bevor mein Bruder der Forderung nachkommen kann, habe ich meine Sprache wieder gefunden.
„Ich … ich kann mich zu Kay … träumen ...“
Sprachlosigkeit herrscht um mich herum.
Bei drei Personen ist sie meiner abgrundtiefen Dämlichkeit geschuldet …
kann ich mir zumindest vorstellen …
Bei zwei Personen liegt sie in Unwissenheit begründet!
„ Du kannst was ?“
Lily und Rheena klingen im Duett sehr angenehm.
„Aber weißt du denn, wo Kay ist?“, fragt Phil, „warst du schon mal dort?“
Die Schwestern Aggerthon verstehen nur Bahnhof!
„ Nein, aber ich habe in meiner Vision diesen Raum gesehen und das genügt“, behaupte ich fest.
Entgegen meiner anfänglichen Traumwandlerei oder dem Wunschträumen - wie ich es für mich lieber nenne -, wo es noch nötig war, den Ort persönlich … also mit eigenen Augen … gesehen zu haben, genügt es mir inzwischen, ein Bild oder die Vision eines Bildes davon gesehen zu haben, um
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