Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
Rheena in die Arme schließt und Lily sich einfach so an Renees Brust kuschelt.
Ich halte das nicht länger aus!
Nicht, dass ich meinen Freundinnen und meinen Brüdern ihre noch frischen Gefühle nicht gönnen würde.
Im Gegenteil!
Hätte ich nicht Wichtigeres im Kopf, könnte ich mich aufrichtig mit ihnen freuen.
„Kay!“
Dieses eine Wort aus meinem Mund genügt und vier Personen sehen mich mit dem Mut der Verzweiflung an.
Einmal mehr ist es Rheena, die sachlich und mit kühlem Kopf an die Situation herantritt.
„ Was genau hast du gesehen, Kim?“
Ich will es nicht noch einmal erzählen müssen, schaffe es einfach nicht.
Doch Renees fragender Blick sagt mir, dass auch er nicht ausreichend informiert ist … von Lily ganz zu schweigen.
Augen zu und durch, Kim!
Also erzähle ich alles noch einmal in aller Ausführlichkeit.
„Und seit du … ähm … seit Kay gegangen ist ...“
Rheena kommt gar nicht dazu, ihren Satz zu Ende zu bringen.
Wütend auf mich selbst fauche ich sie an.
„Sprich's ruhig aus! Seit ich ihn rausgeschmissen habe! Das wolltest du doch sagen, oder?“
Meine Freundin weicht erschrocken zurück und von meinem Bruder Vic ernte ich einen bitterbösen Blick.
Mir doch egal! Entschuldigen kann ich mich später!
„Halt dich nicht zurück, Rheena, denn du hast Recht!“
Einen nach dem anderen fixiere ich die vier Personen, die ihre Köpfe betreten gesenkt haben.
„ Ich weiß, dass ich Schuld daran bin, wenn Kay … wenn Kay ...“
„Schwesterchen ...“
Vics zaghaften Versuch, mich zu beruhigen, fege ich wütend mit einer Handbewegung fort.
„ Nein! Sei still, Vic! Ihr alle habt Recht, wenn ihr mich für Kays Tod verantwortlich macht! Hätte ich dumme Kuh ihn nicht rausgeschmissen, dann wäre er jetzt hier und in Sicherheit!“
„Schluss jetzt, Kim!“
Renee, der bisher noch wenig bis gar nichts von sich gegeben hat, funkelt mich zornig an.
„Kay ist der Empath bei uns, also versuch du nicht, uns einzureden, dass wir dich für etwas verantwortlich machen, was nicht mal eintreten muss!“
„Ja, Kay ist der Empath“, knurre ich, noch immer wütend, zurück, „aber ich bin diejenige mit den Visionen, schon vergessen, häh?“
„ Nein, ganz und gar nicht.“ Renee hat sich wieder im Griff und sein eben noch zorniger Blick nimmt sanfte, um Verständnis bittende, Züge an.
Noch bin ich nicht bereit, mich besänftigen zu lassen.
Wut und Selbstvorwürfe sind besser als Hilflosigkeit!
Ehe ich reagieren kann, finde ich mich in Renees Umarmung wieder … und lasse zu, dass er mir beruhigend über den Rücken streichelt.
„Kim“, sagt er und klingt überraschend selbstsicher, „Visionen müssen nicht immer so eintreffen, wie du sie gesehen hast.“
„Aber … aber ...“, schluchze ich, „die andere Vision … ist doch … auch so …“
„ Ist sie das?“, fragt Renee.
„ Ich … ich … glaube schon“, flüstere ich.
„ Mag sein“, kontert Renee, „aber sie ist auch gut ausgegangen, oder?“
Rheena und Vic nicken enthusiastisch und auch Lily schenkt meinem Bruder ein vorsichtig-zustimmendes Lächeln.
„ Aber ich habe gesehen ...“
„ Was?“, unterbrechen mich vier Personen im Chor, „was hast du gesehen?“
„Ich habe gesehen, wie Kays Herz aufhörte, zu schlagen!“
Betretenes Schweigen herrscht nach meinen Worten … allerdings nicht für lange.
„Und da bist du dir ganz sicher?“
Vic guckt mich so intensiv an, als könne er die Antwort auf seine Frage in meinem Gesicht lesen.
„Nun, ich … also ...“, stammele ich, „er atmete nicht mehr … war vollkommen reglos ...“
„ Vielleicht nur eine tiefe Ohnmacht“, springt jetzt auch Rheena auf diesen Zug auf.
Nachdem mir alle – na ja, fast alle - ihre Sicht der Dinge dargelegt haben, fühle ich mich bemüßigt auch Lily auffordernd zuzunicken.
„Auch noch eine Version auf Lager?“, zische ich.
„ Nicht direkt“, antwortet Rheenas Schwesterherz.
„ Und indirekt?“
Ich weiß, ich klinge ironisch, aber ich kann’s nicht ändern.
„ Indirekt“, sagt Lily und stört sich nicht im geringsten an meinem Tonfall, „indirekt frage ich mich, warum du Kay nicht im Minutentakt zu erreichen versuchst, anstatt dich hier mit Selbstvorwürfen zu überhäufen.“
„ Aber das tu ich doch!“, fauche ich.
„ Ach ja?“ Lily sieht mich an, als habe ich nicht mehr alle Latten am Zaun, was vermutlich auch zutrifft. „Und warum habe ich dich dann noch kein einziges
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