Visite bei Vollmond
Beleuchtung.
Irgendwo innerhalb des Gebäudes erklang ein Heulen, und plötzlich war ich froh,
dass die Böden im County so dick waren â so hörte ich nicht das Schaben von
Krallen über mir.
Dann ertönte das Heulen
plötzlich in unserem Korridor. Ich riss eine Tür auf und schob Gideon hindurch.
Wir standen in einem der vielen Zimmerchen, in denen sich die Patienten auszogen
und warteten, bevor die verschiedenen Geräte sie durchleuchteten. Vielleicht
würden sie ja einfach an uns vorbeirennen ⦠aber nein, diese verdammten
Werwölfe mit ihren verdammten Nasen. Die Tür öffnete sich genau in dem Moment,
als ich das Gewehr entsicherte.
Den Ersten traf ich an der
Schulter. Er trug Wollhandschuhe ohne Finger und hatte Dreadlocks. Ich kannte
ihn, denn ich war ihm an Weihnachten begegnet: Jakes Freund Raymond. Das wurde
mir innerhalb von Sekundenbruchteilen klar, und ich schoss trotzdem auf ihn.
Der Rückstoà drückte das Betäubungsgewehr gegen meine Schulter, der Pfeil
bohrte sich in seine Haut und verpasste ihm eine Werwolfdosis Suxamethonium.
Vorsichtshalber schoss ich noch einmal, doch dann ging mir auf, dass ich
ziemlich in der Klemme stecken würde, wenn ich nachladen musste.
Als der Wirkstoff jeden Muskel
in seinem Körper lähmte, fiel der Werwolf wie ein Stein. Hinter ihm tauchte der
nächste auf. Gideon rammte ihm die Faust ins Gesicht. Seine metallverstärkten
Finger bohrten sich in die Augen des Werwolfs und die Kreatur heulte
schmerzerfüllt auf, bis Gideon das Gehirn erreichte und Schaschlik daraus
machte.
»O Gott â¦Â« Ich musste würgen,
aber mir blieb keine Zeit zum Kotzen. Hastig lud ich das Gewehr nach, und wir
traten wieder auf den Flur hinaus, Gideon wachsam hinter mir.
Wir schafften es bis zum
Ende des Ganges, doch dann zwang uns das nächste Heulen, wieder hinter einer
Tür zu verschwinden. Diesmal wusste ich sofort, wo wir uns befanden. Auf dem
Boden war ein roter Streifen aufgeklebt, und am anderen Ende des Raums stand
ein gigantisches Untersuchungsgerät â der Kernspintomograf.
Ich schob mich an Gideon
vorbei. Die rote Linie auf dem Boden markierte den Bereich, in dem man sich
aufhalten durfte, wenn man Metall am Körper trug. Ãberschritt ich diese Linie,
würde der Tomograf alles Metall an sich ziehen: die Schnallen meiner Handtasche
genauso wie die Ãsen an meinen Stiefeln. Ãberschritt Gideon die Linie, würde
das Gerät GroÃvater aus seiner Brust reiÃen.
Es stank nach Zigarettenrauch,
und plötzlich erhob sich ein Mann von der Liege des Tomografen, auf der er
wartend gehockt hatte.
»Hey, Lady. Ich hatte mich
schon gefragt, ob Sie wohl auftauchen würden. Habe schon viel von Ihnen
gehört.« Es war Charlesâ ehemaliger Patient, Mr. Hale, der hier in seinem
Krankenhaushemdchen eine Zigarette rauchte.
»Wer sind Sie?«
»Nur ein Tageslichtagent«,
erwiderte er mit einem schleimigen Lächeln.
Gideon wollte sich auf ihn
stürzen, aber ich hielt ihn zurück. »Sie sind mehr als das.«
»Okay, erwischt.« Er schlug
melodramatisch eine Hand vor die Brust, als hätte ich ihn erschossen. »Ich
gehöre zum Kabinett Grey. Ich nehme mal an, dieser weinerliche Werwolf hat
Ihnen von uns erzählt.« Meine erste Begegnung mit einem Vampir aus dem Kabinett
Grey. GroÃartig.
»Warum sind Sie hier?«
»Um bei der Kontrolle dieser
jämmerlichen, pelzigen Ablenkungsversuche da drauÃen behilflich zu sein.« Er
tippte sich an die Schläfe. »Kabinett Grey ist darauf spezialisiert, in Köpfen
herumzupfuschen. Was ich Ihnen gerne zeigen werde, sobald ich nahe genug an Sie
herankomme. Ohne die Schatten, die Sie beschützen â¦Â« Er schnalzte missbilligend
mit der Zunge und schüttelte den Kopf, als wäre ich in Schwierigkeiten. »Hat
der Thron der Rose wirklich geglaubt, wir würden sie widerstandslos aufsteigen
lassen?«
»Wen?« Ich gab mich ahnungslos.
Innerhalb eines Wimpernschlages
kam er zwei Schritte näher. Sicher, er war nur ein Tageslichtagent, aber er
hatte gestern erst Vampirblut bekommen. Das machte ihn stärker, schneller, in
allem besser als ich. Er zeigte anklagend mit dem Finger auf mich. »Ich habe
Ihren Prozess verfolgt, also tun Sie jetzt nicht so, als wüssten Sie nicht, wen
ich meine.«
Ich schluckte. Das war kein
guter Zeitpunkt, daran erinnert zu werden, wie die Vampire mich
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