Visite bei Vollmond
hier.«
»Sike â¦Â«
»Geht!« Damit schubste sie mich
so heftig in Gideons Richtung, dass ich auf den Knien landete. Er half mir auf,
während Sike sich Helen in den Weg stellte. »Komm schon, beschissener Werwolf,
du brennst doch auf einen Kampf«, rief sie spöttisch. Helen knurrte. Während
ich losrannte, drehte ich mich ein letztes Mal zu Sike um, sah aber nur ihre
roten Haare, die sich wie frisches Blut über ihren Rücken ergossen.
So schnell ich konnte,
hetzte ich durch die labyrinthartigen Gänge, unterstützt von Gideon und Meatys
Karte. Ich riss mir an offenen Kopiererschubladen die Schienbeine auf, knallte
mit der Hüfte gegen Schreibtischkanten und hüpfte wie eine Flipperkugel durch
die Abteilung Buchhaltung und Rechnungswesen.
Es war völlig egal, woran ich
mich stieà und wo ich dagegenprallte. Alles in mir war taub. Meatys
Wegbeschreibung führte uns schlieÃlich in den hintersten Winkel der
Buchhaltung. Dort schob ich mich in einen Wandschrank, in dem Akten gelagert
wurden. Auf den Regalbrettern herrschte Chaos und an einer Stelle war der
FuÃbodenbelag abgerissen worden, um ein Loch freizulegen. Ich griff hinein,
spürte etwas Metallisches und zog an dem Riegel. Plötzlich heulte es hinter mir
â und ich sprang einfach in das Loch. Schreiend landete ich auf kaltem Beton
und kroch schnell aus dem Weg, denn Gideon kam dicht hinter mir
heruntergeklettert.
»Das wurde aber auch Zeit!«
Rachel streckte sich, schloss die Falltür über mir und verriegelte sie.
Gina legte ihr Gewehr weg, um
mir aufzuhelfen. »Das Prinzip Leiter kennst du, oder Edie?«
»Ihr habt auf uns gewartet?«
»Halb so wild â immerhin haben
Werwölfe in dieser speziellen Nacht ziemliche Probleme damit, eine Falltür zu
bedienen.« Gina wackelte demonstrativ mit ihren Daumen. »Ist es immer noch so
schlimm da oben?«
»Noch schlimmer.« Ich stützte
mich auf sie, und Rachel übernahm mein Gewehr. »Wo ist Meaty?«
»Schon vorgegangen.«
Unsere Stationsschwester
erwartete uns am Ende des Tunnels, wo wir uns schweigend zu ihr gesellten.
Dabei wurde es immer kälter. Ich begriff, dass wir irgendwo drauÃen sein
mussten, oder zumindest auf dem Weg dorthin â zu den Laderampen. Wir waren nur
so lange sicher, wie niemand wusste, dass wir hier waren.
Meaty richtete eine
Taschenlampe auf das Gebilde vor uns. Es war eine funkelnde, weiÃe Wand.
»Schneewehe. Wahrscheinlich wurde seit ein paar Tagen nichts mehr angeliefert.
Wir sind eingesperrt.« Dann wanderte der Lichtstrahl zu mir. Schnell hob ich
eine Hand an die Augen. »Edie, was ist passiert?«
Ich spürte, wie sich mein
Gesicht verzog. Es war unmöglich das auszusprechen ohne zu weinen. »Gerade eben
ist eine Freundin von mir gestorben.«
Meine Stationsschwester
musterte mich voller Mitgefühl. »Ach, Edie. Du müsstest doch inzwischen wissen,
dass wir nicht alle retten können.« Meaty breitete die Arme aus, und ich sank
an diese enorm breite Brust und heulte wie ein kleines Kind. Sie hielt mich
fest, bis es peinlich wurde, dann trat ich einen Schritt zurück. Allerdings
nicht allzu weit, denn es war richtig kalt hier, und die Umstände machten mir
immer noch Angst. Die Luft kondensierte bei jedem Atemzug, und meine Bronchien
zogen sich zusammen.
»Wir können nicht die ganze
Nacht hierbleiben«, sagte ich schlieÃlich.
»Willst du lieber zu den
wütenden Werwölfen zurückgehen?«, fragte Rachel zähneklappernd.
»Ich habe vorgesorgt, wartet
nur ab«, verkündete Gina.
In diesem Moment bohrte sich
eine Pranke durch die vereiste Schneewand. Instinktiv duckte ich mich, während
Rachel und Meaty zu den Waffen griffen.
»Nein, nein, nicht!« Gina baute
sich vor den beiden auf und signalisierte ihnen, die Waffen zu senken. Durch
den Schnee erschien eine zweite Pranke, gefolgt von einem Schwall noch viel
kälterer Luft. Gina schaute über die Schulter zu mir. »Edie ⦠das ist Brandon.«
Der Bär grub sich durch das
Loch. Rachel und Meaty legten ihre Gewehre zwar nicht weg, hielten sie aber
gesenkt. Gina rannte auf Brandon zu, und verzweifelt versuchte ich sie
aufzuhalten. Ich würde es nicht ertragen, heute noch jemanden zu verlieren.
Der Bär fing sie auf, und sie
schmiegte sich an seine Brust. Vorsichtig schob sich der riesige Kopf über sie
und seine Nase strich sanft
Weitere Kostenlose Bücher