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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Deck
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schöpferische Möglichkeiten genug, um einen Besuch mehr als einmal in der Woche zu rechtfertigen. Sie faltet die Zeitung zusammen und steht dann wieder an der Kreuzung, vor den Gleisen der Gare de l’Est, die in Richtung Norden unter der Metrobrücke hindurchführen. Die fächerartig angeordneten Straßen des Viertels scheinen alle an jenem Kreisel gebündelt, der den Schnittpunkt der Rue Cail und der Rue Louis-Blanc bildet, während sie am anderen Ende von dem Metallband der überirdischen Metrolinie über dem Boulevard de La Chapelle zusammengehalten werden.
    Sie biegt links ein, wo sich unter einem von der Fülle nackten Geästs verdunkelten Himmel exotische Lebensmittelläden, Cash-Transfer-Schalter, Basare, Metzgereien, Telefongeschäfte aneinanderreihen. Gruppen von Sri Lankern ohne Sri Lankerinnen parlamentieren vor jedem Eingang. Sie könnten nichts Besseres zu tun haben als das Vorübergehen dieser großen blassen, in ihren Augen exotischen Frau zu kommentieren, und doch beachten sie sie nicht, als sie sich zwischen ihnen durchschlängelt und aus den Augenwinkeln prüft, ob sie ihre Blicke anzieht, und feststellt, nein, sie bleibt unsichtbar für die Sri Lanker wie für die Übrigen, Psychoanalytiker, Polizei und was alles daraus folgt.
    Sie gehen ein paar Schritte, nur so. Das ist das Privileg Ihrer Situation. Sie sind ganz und gar frei, und das wird gottweiß nicht lange so bleiben, alle Mütter sagen das, dass eine mindestens zwanzigjährige Versklavung Sie erwartet.
    In den Schaufenstern der Basare liegen Pantoffeln, Socken, Tee- und Kaffeekannen, Wollknäule, Hemden, Schlafanzüge, Musical-DVDs, Rollkoffer, viele Rollkoffer. Sie können mit diesem Gepäck nichts anfangen. Wo sollten Sie wohl hingehen, alle von Ihnen zurückzulegenden Strecken werden vom Pariser Verkehrsverbund bedient. Für Pantoffeln hingegen könnten Sie Verwendung haben. Wenn Sie tief in den Schaukelstuhl zurückgelehnt Ihre Tochter schaukeln, könnten diese hübschen blutrot gefütterten Hausschuhe Ihre nackten Füße wärmen. Oder wenn Sie sich einsam an der Hinterwand Ihrer Zelle hin- und herwiegen, würden die Hausschuhe Ihnen die sehr kostbaren Stunden, die Sie gerade durchleben, in Erinnerung rufen, jene letzten Augenblicke, bevor die Polizeibeamten wieder zur Besinnung kommen und Sie einlochen werden. Sie gehen in den Basar hinein.
    Die Gänge sind nach Kategorien von Gegenständen, vom Dekorativen bis zum Nützlichen, angeordnet. Am Eingang befinden sich kleine blasslila und blaue Meerjungfrauen, die träge auf grünlichen Felsen lagern. An der Kasse stehen bunte Mehrzweck-Plastikwannen, und dazwischen ist ein breites Spektrum von Küchenutensilien, Toilettenartikeln, Kinderspielzeug und Mütterkrimskrams ausgebreitet – Näh-Etuis, Schwämme, Staubwedel, Besen. Sie greifen nach einer Meerjungfrau, die in Ihre Richtung schaut. Sie drehen und wenden sie zwischen Daumen und Zeigefinger und denken wie jedermann, Wie kann man so was kaufen, wer kann das hübsch finden, wo es so hässlich ist. Sie stellen die Meerjungfrau wieder zurück.
    Von ihrem Regal aus hat sie weiter den Blick auf Sie gerichtet. Einen leicht verschwommenen Blick, denn ihre Augen sind etwas hastig von einem Arbeiter in Südostasien angebracht worden, der nicht besonders auf die Präzision noch auf die Intensität des Blickes geachtet hat, er hat sich damit zufriedengegeben, Augen einzufügen. Doch nun richten sich diese Augen auf Sie. Sie nehmen die Meerjungfrau wieder in die Hand. Wie sie da auf ihrem Felsen posiert, erinnert sie Sie schwach an jemanden. An einen Denker auf seinem Sockel. Einen Papagei auf seiner Stange. Einen Psychoanalytiker in seinem Sessel.
    Um diese Zeit ungefähr hätten Sie normalerweise dort sein müssen. Zwei Meter von ihm entfernt, würden Sie Ihre Finger durchkneten auf der Suche nach Ihrem fehlenden Ehering, nach einer tauglichen Assoziation, die Ihnen ein kleines Lob eintragen würde. Und Ihr Gegenüber wäre an seinem Platz, ganz in Anspruch genommen von dem Schauspiel der Wand hinter Ihnen. Seine Pfoten würden auf seinem Magen ruhen, er würde über ein Kochrezept oder eine Kreuzworträtselfrage nachdenken, bis Sie sich endlich auf der Höhe der Disziplin zeigen, auf Ihre Verteidigungsmanöver verzichten und sich verwandeln würden in ein…
    In was genau.
    Subjekt. Subjekt,

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