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Viviane Élisabeth Fauville

Viviane Élisabeth Fauville

Titel: Viviane Élisabeth Fauville Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Deck
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hatte er einmal gesagt.
    Sie haben geantwortet, Prädikat, Objekt.
    Er hat gesagt, Sie vermeiden es.
    Was denn?
    Das Subjekt.
    Subjekt. Sie verstehen nicht, was das heißt. Sie befragen die Meerjungfrau, sie hat dazu nichts zu sagen, ebenso wenig wie Sie. Sie hatten einen Mann, eine Arbeit, ein Kind, Pflichten, die sich auftürmten von früh bis spät. Die kleinsten Augenblicke Ihrer Existenz waren von der Notwendigkeit regiert, und Sie sahen sehr wohl, dass es Ihren Mitmenschen auch nicht anders ging, von den Empfangsdamen bis zum Generaldirektor der Firma Bétons Biron, von Ihrer Mutter bis zur Kinderfrau. Sie konnten sich nicht vorstellen, was in diesen bestens geölten Systemen schieflief, Sie waren eine ganz normale Frau, bis man Sie dazu zwang, Gott weiß was zu werden, und jetzt unterbricht der Basarbetreiber Ihre vertrauliche Unterredung mit der Meerjungfrau.
    Er fragt, ob Sie sie nehmen werden (sie kostet fünf Euro). Sie wussten nicht, dass das Probieren vor dem Kauf nicht gern gesehen wird, und sagen es ihm freiheraus – also ziemlich schroff –, aber Sie nehmen dann doch die Hausschuhe mit, die Ihnen im Schaufenster aufgefallen waren. Zwei dicke Kunstfellkugeln, ähnlich einem sehr zarten Igelpaar.
    Am Ende der Rue Louis-Blanc weichen die Sri Lanker einer kosmopolitischeren Bevölkerung, die geschmuggelte Zigaretten feilbietet oder, in Einkaufswagen mitten auf dem Boulevard, heiße Kastanien verkauft, und Sie denken daran, wie weit es hin ist von diesen Kastanien hier bis zu jenen, die man Ihnen vor den bewegten Spielzeugvitrinen des Boulevard Haussmann anbot, als Sie noch eine echte Bourgeoise waren, die zwischen dem 5. und dem 16. Arrondissment, also den Wohnungen ihrer Mutter und ihrer Großeltern hin- und herfuhr, in der glückseligen Unkenntnis jenes Pariser Ostens, wo die sozialen Zwischenschichten wohnen und die Serienkiller grassieren. Sie überqueren den Boulevard, zögern zwischen der Brücke rechts, die Sie über die Gleise hinweg wieder nach Hause bringen, und der Gare du Nord linkerhand, die Sie in Richtung Barbès-Rochechouart führen würde. Von dort aus kämen Sie ins 18. Arrondissement, zu seiner subtropischen Bevölkerung, den kleinen Läden voller Billigkram, oder in den Süden ins 9. Arrondissement mit seinem eleganten Publikum und seinen den privilegierten Berufsständen zugedachten Boutiquen. All das setzt Entscheidungen voraus. Unendlich viele Mikro-Entschlüsse, von denen jeder größere Auswirkungen hat. Sie sind nicht imstande, Entschlüsse zu fassen. Sie sind Sklavin der Notwendigkeit, das ist eine Lage, die Ihnen sehr genehm ist, nach einer anderen haben Sie nie verlangt.
    Gegenüber taucht eine bescheidene Grünanlage auf, wo die armen Kinder und die Gifthändler gelüftet werden. Sie drücken das Gatter auf, setzen sich auf eine Bank in der Sonne, ziehen die Hausschuhe aus Ihrer Tasche und stecken Ihre Hände hinein. Dort werden sie langsam wieder warm.
    Auch auf Ihrem Bürosessel sind Sie schön im Warmen gewesen. Dann, vor drei Jahren, geschah es, Sie waren durch eine Art Zufall da hineingeraten. Wie jeden Morgen waren Sie auf dem Weg zur Arbeit. Sie wohnten noch in Ihrer Junggesellinnenwohnung in der Rue Pradier, Metrostation Pyrénées, was hieß, dass Sie die Linie 11 bis zur Station République nehmen und dort in die Linie 9 umsteigen mussten, die Sie bis nach Saint-Philippe-du-Roule brachte. Sie waren weder glücklich noch unzufrieden, sich zu der Firma Bétons Biron zu begeben, Sie stellten sich keinerlei Fragen. Sie hatten eine hervorragende Stelle in einem großen Unternehmen, waren mit der internen und externen Kommunikation, mit Broschüren, Partnerschaften, Sponsoring, Fundraising beschäftigt. Ihr Chef hatte vollstes Vertrauen in Sie, Sie hatten Beziehungen im ganzen Baugeschäftsmilieu, und die nutzten Sie. Bei Cocktails oder Seminaren schreckten Sie nicht davor zurück, mit irgendeinem Ingenieur im öffentlichen Dienst in näheren Kontakt zu treten. Das endete dann in einem der Zimmer, die für diese Veranstaltung reserviert waren, und am nächsten Morgen erschien man mit wirrem Haar in der 9-Uhr-Sitzung und zwinkerte sich durch den Saal hindurch zu. Das war dumm und nicht mehr altersgemäß, aber es ist doch immer angenehm, die Anwesenden zu ärgern, außerdem weckte es die Aufmerksamkeit von Jean-Paul Biron, der in letzter Zeit dazu

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