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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Lars.«
    Idas Atem geht pfeifend. Die Zigarette hat sie halb geraucht ausgedrückt. Bevor sie mir noch zusammenbricht, sage ich schnell: »Es ist nichts passiert.Jedenfalls nicht, was du denkst. Er ist gar nicht bis zu mir hingekommen. Er blieb an der Tür stehen, stieß einen verächtlichen Laut aus, löschte das Licht, sodass es stockdunkel im Keller war, und schloss die Tür ab. Ich kam nicht wieder raus.«
    Ich zucke die Achseln, wische eine nicht vorhandene Träne weg und beuge mich zu Rocky hinunter. Mit der Nase in seinem vertrauten, borstigen Fell sage ich: »Ich war bestimmt zwanzig Minuten da drin. Keiner hat mich vermisst. Die Tür war abgeschlossen, die Fenster waren vergittert und mein Rufen hat bei der Lautstärke der Musik keiner gehört. Ich kann von Glück sagen, dass denen oben irgendwann das Bier ausgegangen ist.«
    »Das tut mir leid, Nele«, jammert Ida erschrocken und hockt sich zu Rocky und mir herunter. »Das tut mir wirklich leid.«
    »Du kannst doch nichts dafür«, sage ich knapp und will aufstehen.
    Natürlich ist es nicht ganz so. Wie sehr habe ich mich geärgert, dass sie überhaupt nicht nachgesehen hat, wo ich abgeblieben war! Wir waren nicht die besten Freundinnen, aber irgendwie hatte ich das doch erwartet. Stattdessen hat sie sich wahrscheinlich von diesem Kerl nach Hause bringen lassen, während ich da unten festsaß. Vielleicht hatte sie auch da – genau wie bei der Sache mit Nadine – eine »böse Ahnung« gehabt und doch nur die Hände in den Schoß gelegt.
    Andererseits habe ich mich zwei Tage später darauf eingelassen, mit ihr Urlaub zu machen, undnun sitzen wir hier gemeinsam in der Tinte, und obwohl ich immer noch nicht so recht weiß, woran ich bei ihr bin und ob ich mich auf sie verlassen kann, bin ich jetzt auf sie angewiesen.

25
    Plötzlich lässt uns ein lautes Scheppern zusammenfahren.
    »Wenn man vom Teufel spricht«, flüstert Ida. »Jetzt kommt er. Jetzt ist es so weit.« »Das wollen wir doch mal sehen!« Ich hechte zur Tür, schaue hinaus. Dunkler ist es geworden, die Luft eine feuchtwarme Suppe, die Wiese, die außerhalb des Lichtkreises liegt, eine schieferfarbene Fläche mit den gespenstischen Schatten der Bäume. Rocky will loslaufen, aber ich halte ihn am Halsband zurück.
    »Bleib hier! Warte!« Mein Herz klopft heftiger, als ich zugeben will.
    Ida ist direkt hinter mir. »Ich versuche noch mal, meinen Vater zu erreichen.«
    Jetzt ist ein Stöhnen von der anderen Seite des Waschhauses zu hören und die Stimme eines jungen Mannes: »Versuch mal, das Bein hier drauf zu legen!«
    »Das sind Fabi und Hannes!«, zische ich meiner Freundin erleichtert zu und laufe los. Sie bleibt noch kurz in der Tür stehen, gibt sich dann einen Ruck, schnappt sich die Waschutensilien und folgt mir.
    Die beiden Jungs stehen unter der von Insekten umschwirrten Lampe vor den Spülbecken. Fabi hat sein linkes Bein hochgelegt, das Knie ist blutig, die graue Radhose eingerissen und voller Lehm und Dreckspritzer. Neben ihnen auf dem Boden liegen die Fahrräder, die beim Umfallen wahrscheinlich das Geräusch verursacht haben.
    »Gestürzt«, erklärt Fabi, als er uns sieht. »Verdammt übel gestürzt.«
    »Können wir helfen?«, frage ich.
    »Ja, ich hab einen Mordshunger und ihr könnt das Essen vorbereiten«, sagt er mit schiefem Grinsen. »Das schaffe ich nämlich nicht. Ich kann kaum laufen und mit dem Tanzen wird’s wohl auch nichts. Obwohl: Vielleicht bin ich gleich ja schon wieder fit?«
    »Warte erst mal, halt still!«, nölt Hannes. »Ich versuche, deine Wunde sauber zu machen. Viel Ahnung habe ich von Erster Hilfe aber nicht, das sag ich dir gleich.« Er dreht den Wasserhahn auf, wendet sich dann an uns. »Ich hab Fabi gesagt, wir sollten zum Arzt gehen. Aber dieser Dickkopf will nicht ins Krankenhaus.«
    »Da war ich heute Morgen schon«, unterbricht der sofort und jault dann auf, als Hannes den Wasserstrahl vorsichtig so lenkt, dass er die Wunde unterhalb des Knies abspült.
    Hannes fügt verärgert hinzu: »Und zur Polizei will er auch nicht.«
    »Wieso zur Polizei?«, fragt Ida alarmiert.
    »Irgend so ’n irrer Raser hat uns von der Straßeabgedrängt. Saftsack! Der hat uns doch genau gesehen. Der ist schon die ganze Zeit hinter uns hergefahren. Aber das ist wieder typisch, manche Leute denken, nur weil sie ’n schnelles Auto haben und wir nur Fahrräder, gehört ihnen die ganze Straße! Wenn da nicht zufällig der Feldweg hinter dieser Kurve gewesen wäre, in den

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