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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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wir noch ausgewichen sind, wären wir beide platt gewesen.«
    Ida und ich sehen uns an. Wir denken beide das Gleiche. Beide stehen wir starr und stumm da und hoffen, dass das, was wir befürchten, nicht wahr ist.
    »Ja, Hannes, du hast recht, wir hätten ihn anzeigen sollen«, sagt Fabi. »Aber hast du das Nummernschild lesen können? Ich auch nicht! Weil’s nämlich verdreckt war. Und bei der Frage, was es für ein Wagentyp war, sind wir uns auch nicht sicher. Außerdem: Weißt du, wie viele Leute wir in den letzten Tagen hätten anzeigen können?« Er nimmt mit einem schmerzhaften Stöhnen sein Bein vom Spülbecken. »Das ist nur ’ne Schürfwunde. Viel schlimmer ist, dass mein Knie so dick ist. Hoffentlich hab ich mir da nichts gerissen.«
    Hannes bückt sich zu seinem Freund hinunter, betrachtet dessen geschwollenes Knie. »Könnte sein. So wie du aufgeschrien hast, hab ich mir gleich gedacht, dass das kein einfacher Sturz war. Die weitere Tour können wir auf jeden Fall vergessen.« Er flucht. »Verdammter Mist, ich hätte dem Kerl nachfahren sollen!«
    »Haha«, macht sein Freund.
    »Erst Jan, dann Fabi«, sagt Ida leise und greiftvorsichtig nach meiner Hand. Ich drücke ihre trockenen, kühlen Finger, auf dass sie so schwitzig werden wie meine. Mein Herz geht immer noch so holprig. Meine Augen brennen. Mein Blick huscht über die Köpfe der Jungen hinweg in die Dunkelheit des stillen Campingplatzes. Nicht zu vergessen mich und diese Nadine, ergänze ich Idas Worte in Gedanken und spüre jetzt wieder die lähmende Angst, die ich im Keller des Bootshauses gespürt habe.
    Wahrscheinlich sieht man uns den Schrecken an, denn Fabi sagt: »Macht euch mal keine Sorgen um den guten, alten Fabi!« Er stützt sich mit dem einen Arm auf Hannes, mit dem anderen auf meine Schulter. »So wild war das auch nicht. Hab nur ’n Schlabber gedreht.«
    »Mein Exfreund hat sich bei einem Fahrradsturz den Schädel gebrochen, damit hat auch keiner gerechnet«, sage ich und fache damit die Diskussion der beiden Jungs über den Vorfall auf der Landstraße wieder an. Ein Mordanschlag eines notorischen Rasers wäre das gewesen, behauptet Hannes, wohingegen Fabi die Sache herunterspielen will, um, wie er sagt, nicht die Memme rauszukehren. Hannes aber beharrt auf dem Vorsatz des Autofahrers, er versucht mit Fabi noch einmal vergeblich, das Kennzeichen zu rekonstruieren, und überlegt, ob man auch jemanden mit so spärlichen Angaben anzeigen kann. Derweil gehen wir zusammen – Rocky voraus, Ida mit den Rädern als Schlusslicht – zum Zelt der Jungen. Obwohl die beiden Jungen lautund aufgebracht miteinander reden, scheint mir jeder Schritt durch die abendliche Düsternis ein Wagnis zu sein, und als wären wir von wilden Tieren, Wölfen etwa, umgeben, bin ich erst in dem Augenblick erleichtert, als Fabi und Hannes ihre drei kraftvollen Lampen eingeschaltet haben.

26
    Die Helligkeit und die Nähe der beiden anderen geben Schutz. Außerhalb des Lichtkegels will keins von uns Mädchen sich allzu lange aufhalten.
    »Gut, dass wir die beiden haben«, sage ich zu Ida, als Hannes sich, wie in einem normalen, friedlichen Urlaub, mit dem bettelnden Rocky unterhält: »Na, du willst auch was vom Grill, ich weiß, ich hab ein Stück für dich, aber das gibt’s erst gleich, wenn wir alle essen.« Fabi liegt im Liegestuhl und hält sich eine kalte Bierdose auf das Knie.
    »Aber wenn das so weitergeht, Ida, können wir hier bald ein Lazarett aufmachen. Meinst du, dass Fabis Sturz auch auf das Konto von deinem Ex geht?«
    »Ich hoff’s nicht. Es kann aber sein, denn bestimmt will er uns, oder besser gesagt mich, isolieren, was ihm ja auch schon so gut wie gelungen ist. Jan ist weg und Fabi und Hannes streichen morgen sicher auch die Segel.«
    »Willst du sie nicht einweihen? Das sind wir ihnen schuldig. Außerdem habe ich ihnen eh schongesagt, dass wir befürchten, es könnte jemand in unserem Zelt gewesen sein. Hey, guck nicht so erschrocken! Vielleicht können die ihn wirklich anzeigen.«
    »Nein, Nele, bitte. Sag’s ihnen nicht. Setz mich nicht unter Druck. Sie haben den Fahrer doch auch gar nicht richtig gesehen, sie können nichts bezeugen. Sie können sich nicht mal definitiv festlegen, welche Automarke es war. Das sagt doch schon alles! Und so nett die auch sein mögen – ich will fremden Jungs nichts erklären und erzählen. Ich kann schon dir gegenüber nicht wirklich frei reden und mein Herz ausschütten, obwohl ich mir solche Mühe gebe

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