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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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nicht davor zurück, Menschen, die mir nahestehen, anzugreifen.«
    »Wie meinst du das? Was macht er denn?«
    »Er scheucht zum Beispiel einen Wespenschwarm gegen dich auf, Nele! Begreif das doch endlich, er war das. Er ist gefährlich!«
    Wir haben das Waschhaus erreicht. Still, leer und kalt steht es mit seinen weiß getünchten Wänden und offenen Türen da. Ich reibe mir über die zerstochenen Arme. Mich fröstelt.
    »Wie eine Totenstadt«, flüstert Ida. »Zehn Waschbecken in einer Reihe und keiner benutzt sie. ZehnKlos, zehn Duschen und auf der Männerseite noch mal zehn. Hier ist es nicht mal dreckig. Hier sind nicht mal Tiere. Warum kommen hier keine neuen Gäste an?«
    »Vielleicht weil für heute und morgen Regen angesagt war. Weil wir dieses Jahr so früh Ferien haben. Oder weil Dienstag ist. Die meisten Leute verreisen ja erst an den Wochenenden. Vielleicht liegt auch ein Fluch auf diesem Platz. Außerdem«, sage ich und bücke mich, »ist hier doch ein fremdes Tier. Ein Grashüpfer.« Ich fange ihn vorsichtig ein und trage ihn nach draußen, wo Rocky ihn beschnuppern will. »Aus, Rocky! Gut, dass wir dich haben. Du wirst Wache halten, okay?«
    Ida reibt sich über die Augen. »Ich weiß nicht, ob Rocky ausreicht. Vielleicht sollte abwechselnd noch eine von uns hier stehen bleiben. Duschen tue ich mich sowieso nicht. Ich ziehe mich nicht aus.«
    »Wir waren aber im Fluss.«
    »Egal, das Wasser wird schon sauber sein. Die Haare wasche ich mir auch nicht. Die stecke ich mir einfach hoch.«
    »Was für ein verkorkster Abend.« Ich stelle meine Kosmetiktasche auf die Ablage. »Hätten wir doch jemanden mitgenommen! Wenn ich noch mit Tobias zusammen wäre …«
    »… wären wir wohl kaum zu dritt gefahren.«
    »Nein, stimmt. Und Jan heute Morgen hat mir auch gut gefallen.«
    »Habt ihr euch geküsst?«
    »Wollten wir. Aber dann kamen die Wespen.«
    Ida kichert ein bisschen. »Das grausame Ende einer kurzen Romanze.«
    »Aber wirklich!« Ich lache auch. Dann balle ich die Fäuste. »Wenn ich rauskriege, dass dieser Scheißkerl das tatsächlich war und dass Jan deswegen ins Krankenhaus gekommen ist …«
    »Dann …?«
    »Dann, ja, was weiß ich, dann zeige ich ihn an.«
    »Wenn es dazu noch kommt.« Ida blickt in den verhangenen Himmel, aus dem sich die Dämmerung wie ein grauer Schleier auf uns niedersenkt. Die automatisch geschalteten Lampen im Waschhaus gehen gerade mit einem flackernden Surren an. Rocky knurrt warnend, und obwohl sich das anscheinend nur auf eine vorbeiflatternde Fledermaus bezieht, rücken wir Mädchen näher zusammen. »Bevor wir uns angefreundet haben, hatte ich in den letzten Jahren nur eine einzige Freundin, Nadine. Wir waren im Frühling öfter zusammen, etwa zu der Zeit, als ich dich auf dem Sportplatz kennengelernt habe. Dann ist irgendwas passiert, ein Überfall angeblich, und von einem auf den anderen Tag wollte Nadine nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie war völlig verändert, innerlich und äußerlich. Ich hätte sie fast nicht wiedererkannt, nicht nur, weil sie eine neue Frisur hatte, nein, sie war auch so ernst und verschreckt und wollte überhaupt nicht mehr mit mir sprechen. Die hatte richtig Angst vor mir. Ich habe nicht wirklich rausgefunden, was passiert ist, aber ich kann’s mir denken und ich weiß, dass nur er daran schuld gewesen sein kann.«
    »Hä? Was ist denn das für ein Typ?«
    Sie stößt einen lauten Seufzer aus. »Er war Lehrling bei uns.« Jetzt wendet sie sich von der Tür ab, geht zu den Waschbecken und kämmt sich in Zeitlupe die Haare. Dabei redet sie wie zu sich selbst. »Er ist ein paar Jahre älter als ich. War der Favorit meines Vaters, der Mitarbeiter, dem er vertraut, den er für tüchtig und begabt hält. Der, dem er die Schlüssel gibt, das Auto leiht, solche Sachen. Fast wie ein Ziehsohn. Aus Papas Sicht hatte er nur ein Laster: Er raucht. Aber das gefällt mir gerade gut, denn in unserer Familie ist das Rauchen extrem verpönt, weil’s angeblich die Geschmacksnerven ruiniert. Meinem Vater hat er immer versprochen, bald mit dem Rauchen aufzuhören. Direkt nach der Prüfung. Wenn er keinen Stress mehr hat. Hätte er wahrscheinlich sogar gemacht, denn er hat meinen Vater total angehimmelt, bis der ihm nach dem … nach dem Unfall von einem auf den anderen Tag gekündigt hat. Er konnte nicht mal die Prüfung bei uns machen, hat sie deshalb auch nicht besonders gut bestanden. Mein Vater hat ihn fallen gelassen wie die berühmte heiße

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