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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Rotter sieht mich aus seinen kleinen Schweinsäuglein nun beinahe böse an und zeigt mitseinem wurstigen Zeigefinger auf mich. »Gäste sind abgereist wegen diesem Hund, der frei herumläuft und auf mein Gelände kackt. Sei bloß froh, dass ich mich um solche Sachen nicht kümmere!« Er stapft davon, bleibt aber noch mal stehen und sagt: »Wenn ihr mich fragt, hatte der Hund einfach genug von euch, der brauchte mal seine Ruhe.« Das war’s.
    Die beiden sehen jetzt wie ein normales Pärchen aus, das sich nach einem Streit versöhnt. Vielleicht ist es so. Vielleicht sind sie wieder zusammen. Alle anderen Nebenfiguren sind verschwunden und ich stehe genauso allein da wie am Tag nach Tobias’ Unfall. Nicht mal Rocky existiert noch. Es ist, als hätte es ihn nie gegeben.
    »Welcher Hund?«, höre ich im Kopf wieder Lars’ Stimme, während er mit meiner ehemals guten Freundin in ausgedehnter Schleifenform weiter über die Wiese schlendert und ihr vermutlich Anträge macht. Sicher hat er ein Schmuckstück dabei, lockt sie mit einer Urlaubsreise in ein Luxusparadies auf einer Südseeinsel oder plant mit ihr das erste eigene Restaurant.
    Nele, komm zu dir, sage ich mir, als ich sehe, wie sie sich vorerst trennen und er lässig den Weg zur Rezeption einschlägt. Steh nicht so gelähmt rum, tu was!
    Ich renne los, stolpere ungestüm über den Kiesstrand, stoppe bei Ida, während meine Füße wie die eines Joggers weiter in Bewegung bleiben. »Was hast du mit dem zu reden gehabt? Wo ist Rocky?«
    Ihre Antwort klingt nüchtern und abgeklärt: »Ichhabe alles geregelt. Du wirst ihn zurückbekommen.«
    »Wie und wann? Was erlaubt er sich, was fällt dem ein?«
    Sie senkt den Kopf. »Er will nicht Rocky, er will mich und er will seine Stelle zurück. Wir haben einen Deal gemacht.«
    Ich weiß nicht, ob ich jemals jemanden so fassungslos angeschaut habe wie Ida in diesem Moment.
    »Ich rede mit meinem Vater und überzeuge ihn. Da Lars zu allem entschlossen ist, wird mir das gelingen. Außerdem kocht er heute Abend für mich.«
    Ich denke an seine Vorbereitungen in der Blockhütte und sehe Ida entsetzt an. Sie dreht den Kopf weg. »Sag nichts, Nele. Sag jetzt bitte nichts. Ich habe das so entschieden. Ich lasse mich auf so was wie ein Candle-Light-Dinner mit Aussprache ein. Dafür kriegst du dann deinen Hund zurück.«
    »Spinnst du?«
    »Nein. Ich habe keine Wahl und weiß, was ich tue. Verlass dich auf mich!«
    »Das kann ich nicht, Ida! Wann genau krieg ich Rocky zurück? Vor oder nach dem Abendessen? Muss ich mir vorher die Finger waschen und bitte, bitte machen? Muss ich mich vielleicht auch nackt ausziehen?«
    »Übertreib nicht, Nele!«
    »Ich übertreibe?«
    »Ja! Weil du nichts verstehst! Das ist nun mal eineSuppe, die ich verbockt habe, die muss ich auch alleine auslöffeln.«
    Ich schüttele fassungslos den Kopf. »Ihr und euer Essenswahn! Eure Geheimnisse, eure Absprachen …!«
    »Sei nicht sauer«, bittet Ida. »Es tut mir leid, dass du zwischen die Fronten geraten bist, ehrlich, es … es tut mir leid.«
    »Ja, das hilft mir enorm weiter!«, schreie ich sie an, obwohl ich weiß, dass das nicht okay ist. Sie will sich anscheinend für mich und Rocky opfern, aber gerade das macht mich aggressiv. »So was lasse ich nicht zu! Ich schnappe mir jetzt dieses Arschloch!«, rufe ich und wetze los. Endlich löst sich die lähmende Hilflosigkeit, die mich überfallen hatte. Ich bin wieder ich: draufgängerisch, unvorsichtig, wild. Nicht so im Bann von Idas verdammter Verzagtheit.
    Die rührt sich nicht vom Fleck. »Nele, du verstehst das nicht, das ist so in Ordnung. Mach die Sache nicht noch schlimmer! Bitte, komm zurück.«
    Ich denke nicht daran zurückzukehren! Ich habe schon viel zu lange gewartet. Die körperliche Überlegenheit dieses Mannes schüchtert mich zwar nach wie vor ein, aber Idas Schicksalsergebenheit und Furcht vor jeder offenen Konfrontation machen mich rasend und mobilisieren all meine Kräfte. Außerdem weiß ich, dass, wenn es wirklich um Vergiftungen geht, jede Minute zählt.

35
    Lars ist eben hinter dem Waschhaus verschwunden und damit außerhalb meines Blickfelds, aber ich bin eine gute Läuferin. Bis zum etwas erhöht liegenden Gebäude lege ich einen Spurt hin, dann schaue ich mich um.
    Ist er hineingegangen? Nein! Da drüben bewegen sich die Zweige der Büsche. Er schlängelt sich quer durchs Unterholz, Richtung Straße.
    Ich zögere. Diesen Vogelfänger allein weiterzuverfolgen ist nicht klug.

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