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Vogelfaenger

Titel: Vogelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Dunker
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Hosentaschen. Sie wagt ein scheues Lächeln. »Rotter ist eingeschlafen. Er schnarcht.«
    Ich werfe einen Blick zu den Zelten hinüber. Obwohl er ein ganzes Stück entfernt ist, kann ich ihn auf der freien Wiese gut sehen: die Hände vor dem Bauch gefaltet, den Kopf in den Nacken gelegt, den Mund, so wie’s aussieht, offen.
    »Schön«, sage ich knapp und kalt. »Dein Kaffee hat wohl seine Wirkung verfehlt.«
    Da ich mit ihr rede, kommt sie zögerlich heran. »Manche Leute werden, nachdem sie Kaffee getrunken haben, erst recht müde.«
    »Aha«, mache ich unfreundlich, und das soll heißen: Glaubst du, ich will mit dir über Kaffeegewohnheiten quatschen? Ich will mit dir gar nicht mehr quatschen, verzieh dich!
    »Ich will doch auch alles tun, um Rocky wiederzubekommen, Nele.«
    »Ach, erzähl mir doch nichts! Du willst abreisen! Dein Problem ist es ja auch nicht, es ist ja schließlich nicht dein Hu–« Ich stoppe abrupt.
    Da kommt ein junger Mann auf uns zu. Eine schlanke und doch kräftige Gestalt, die sich im Gegenlicht nähert. Ich weiß sofort, dass er das ist, obwohl ich mir sein Aussehen auf der Party nicht eingeprägt habe. Auf der Veranda habe ich über ihn hinweggesehen, im Keller war’s dunkel und ich habe gar nicht erst zu ihm hingesehen. Dennoch: Ich kenne den Klang seiner Schritte, die Art, die Luft durch die Nase auszustoßen.
    Auch Ida bleibt der Atem weg. Sie berührt meine Hand, ganz kurz nur, ganz spontan, dann, als erinnere sie sich, dass wir Krach haben, zuckt sie schnell wieder zurück und sagt: »Entschuldigung!«
    Der Mann sieht, dass wir ihn bemerkt haben. Er spürt, dass wir erschrocken sind und wie zwei Opferlämmer dastehen. Sofort verändert sich seine Haltung, wird noch selbstsicherer. Er grinst, so scheint es. Sein Schritt verlangsamt sich nicht, er ist forsch und fest, der Kies knirscht laut unter seinen Füßen, er übertönt das Rauschen des Flusses, und dann steht er da, lacht und sagt: »Hallo, Täubchen, Süße. Wie schön, dich zu treffen, lange nicht gesehen.«
    Ich denke, seine Stimme ist wie ein Seidenschal, der verführerisch weich und sanft auf Ida zuweht und sich ihr um den Hals legt. Jedenfalls räuspert sie sich auf die gleiche röchelnde Weise wie ihr Vater, schnappt regelrecht nach Luft und antwortet mit nur zwei hervorgewürgten, aber bedeutungsschweren Worten: »Lars. Ja.«
    Er holt wie beiläufig eine angebrochene Tüte der gleichen Weingummis, die auch im Bungalow liegen, aus seiner ausgebeulten Hosentasche. »Magst du?«
    Ida starrt auf die roten Süßigkeiten wie auf giftige Insekten. Röchelt wieder. Er grinst, steckt die Tüte weg, zieht Zigaretten hervor und hält ihr die Schachtel hin. »Das ist besser, was? Übrigens: Ich hab von Philipp aus der Küche erfahren, dass du hier bist. Da dachte ich mir: Schau mal vorbei und guck, ob’s ihr gut geht. So ein kleiner Überraschungsbesuch macht doch immer Freude, stimmt’s?«
    »Stimmt«, sagt Ida leise und ich traue meinen Augen nicht: Sie nimmt sich eine Zigarette heraus.
    Er gibt ihr Feuer und versprüht dabei Siegerglück auf der ganzen Linie. »Wollen wir ’n Stück spazieren gehen?«
    Ida sagt nichts, aber ich meine zu sehen, wie sie ein Nicken andeutet, bevor sie mit gesenktem Kopf an der Zigarette zieht.
    Da platzt es aus mir heraus, ein dummer Satz, ich weiß, aber ich kann nicht anders. Ich sage: »Ich bin auch noch da.«
    Er lacht, ein klares, perlendes Lachen, das michvöllig irritiert. »Ach, guck! Sie ist auch noch da. Das ist ja nicht zu übersehen.« Er schaut einmal an mir rauf und runter und wendet seinen Blick dann sofort wieder Ida zu. Grinst sie an, ihre Zustimmung einfordernd: Komm, lach mit mir über deine fette Freundin.
    Sie hält sich raus. Martert ihre schon fast in Fetzen hängende Unterlippe und kneift die Augen zusammen, was ihrem sonst so hübschen Gesicht einen hässlichen Zug verleiht. Ja, hat die Frau jetzt vor, überhaupt nichts mehr zu machen? Will sie sich alles gefallen lassen, locker mit dem Ex eine rauchen und über die guten alten Zeiten plaudern? Wahrscheinlich zieht sie gleich los und lässt mich stehen, was?
    Ich balle die Fäuste. Obwohl ich plötzlich ein Gefühl habe, als könne ich nicht richtig atmen, mache ich einen Schritt auf Lars zu. »Wo ist mein Hund?«, frage ich barsch und ärgere mich über den ungewöhnlich hohen Klang meiner Stimme.
    »Welcher Hund?« Schmatzender Zug an der Zigarette, verwunderter Unschuldsblick.
    »Du weißt genau, was ich

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