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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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wollte, um seiner Truppe nachzusetzen, fiel sein Blick auf das Schwert, das vor der Schwelle des abgebrannten Hauses im Boden steckte. Er stieß ein ärgerliches Grunzen aus, dann lenkte er das Tier darauf zu, wobei er Sinann beinahe über den Haufen geritten hätte. Seine Hand schloss sich um das Heft, er zog das Schwert aus der Erde, hielt die Klinge von sich weg und galoppierte dann davon, um seine Männer einzuholen.
    Die Fee sank auf dem Boden zusammen, ließ die Flügel hängen und schlug die Hände vors Gesicht.
    Einen Moment lang verharrte sie so, nur einen bloßen Moment, da war sie sicher, obgleich es ihr jetzt so vorkam, als sei mehr Zeit verstrichen, sehr viel mehr sogar. Die Sonne war fast vollständig untergegangen; ganz dunkel war es allerdings noch nicht. Doch plötzlich erglühte über der Stelle, wo das Schwert im Boden gesteckt hatte, ein seltsames fahles Licht. Gleichzeitig breitete sich eine merkwürdige Wärme aus. Sinann blickte auf, sie traute ihren Augen kaum. Das Licht wurde heller und heller und nahm allmählich die Umrisse eines Mannes an; eines hoch gewachsenen, mit Kilt und einem weiten Hemd bekleideten Mannes. Dann erstarb das Leuchten so schlagartig, wie es begonnen hatte, und die Silhouette nahm feste Gestalt an. Ein lebendiger, atmender Mann stand vor ihr.
    Sinanns Herz tat einen Sprung. Sie flatterte auf und erhob sich in die Luft, bis sie sich auf Augenhöhe mit ihm befand.
    Der Fremde blickte sich mit weit aufgerissenen Augen verwirrt um. Sinann musterte ihn neugierig, wohl wissend, dass er sie erst sehen konnte, wenn sie dies wünschte. Der Mann schluckte hart und zwinkerte ungläubig, dann strich er sich eine widerspenstige dunkle Locke aus der Stirn. Sein Haar war lang genug, um zu einem Zopf gebunden zu werden, aber zu kurz, als dass dies zwingend notwendig gewesen wäre. Seine Augen leuchteten blau, doch seine Haut war so dunkel wie die der Menschen aus den südlichen Ländern jenseits des Meeres. Dennoch war er kein Maure, auch kein Römer, sondern ein echter Schotte, das verrieten der Schwung seiner Brauen und die Farbe seiner Augen.
    Der Fremde kniff die Augen zusammen, und als er sie wieder aufschlug, schien er von seiner Umgebung genauso wenig angetan zu sein wie vorher. Er drehte sich einmal um die eigene Achse und sah sich kopfschüttelnd um. Dann murmelte er ein paar Worte, und Sinann fuhr erschrocken zusammen. Er sprach Englisch.
    »Ach du grüne Neune«, brummte er leise. »Was ist denn bloß passiert?«

1.
    Dylan Matheson konnte sich an diesem Morgen nur schwer aus seinem Traum lösen, obwohl er für gewöhnlich sofort hellwach war. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, denn im Halbschlaf trieb er auf einer in helles Sonnenlicht getauchten Welle dahin. Wasser und Hitze - herrlich. Dann machte der Traum allmählich der Realität Platz, die sogar noch angenehmer war, und Dylan holte tief Atem, um den Schlaf endgültig abzuschütteln. Ginny würde bald vor der Tür stehen, und heute fanden die Spiele statt.
    Es würde ein schöner Tag werden. Die weiß gestrichenen Wände seines Schlafzimmers warfen die Strahlen der aufgehenden Sonne zurück, und er musste blinzeln. Mit einem Satz sprang er aus dem Bett, ging zu dem Schiebefenster hinüber und drückte es mit dem Handballen hoch. Quietschend und knarrend ließ es sich gerade so weit nach oben schieben, dass Dylan sich hinauslehnen konnte.
    Er stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett und blickte über den See, wo die Sonne gerade hinter den Bäumen auftauchte. In der Main Street einen Block weiter zu seiner Linken stauten sich bereits die Kleintransporter und Kombis der Mütter, die ihre Sprösslinge zu den Sportplätzen oben am Drake's Creek brachten. Das samstägliche Fußballturnier war in diesem Vorstadtviertel ein festes Ritual, und Dylan wusste, dass auch seine eigene Mom immer gerne mit den anderen Müttern am Spielfeldrand gestanden und ihn angefeuert hatte. All diese Frauen waren nicht unbedingt eng miteinander befreundet gewesen, aber sie hatten zumindest eines gemeinsam gehabt: Söhne im gleichen Alter. Manchmal glaubte Dylan, dass sich seine Mutter insgeheim nach der Zeit seiner Kindheit zurücksehnte. Er nicht, er war froh, dass all das hinter ihm lag.
    Dylan atmete ein paarmal tief durch. Es war Herbst, die Luft roch frisch, und von der Feuchtigkeit, die die Sommer in Tennessee oft so unerträglich machte, war nichts mehr zu spüren. Dieser letzte Septembertag versprach wunderbares Wetter

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