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Vogelfrei

Titel: Vogelfrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianne Lee
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Clans. Dazu gehöre ich, daran lässt sich nichts ändern, und daran will ich auch gar nichts ändern. Ich bin stolz darauf, einen Stammbaum zu haben, der viele Jahrhunderte zurückreicht, auch wenn du das nicht verstehst. Und vergiss nicht, dass es so etwas wie eine rein amerikanische Kultur eigentlich gar nicht gibt, sie setzt sich nur aus den Traditionen zusammen, die die Einwanderer aus ihren jeweiligen Ländern mitgebracht und gepflegt haben.«
    Ginny überlegte kurz, dann sagte sie: »Trotzdem würden die meisten Typen, die ich kenne, lieber sterben, als sich in einem Rock sehen zu lassen.«
    »In einem Kilt.«
    »Die Dinger sehen aber aus wie ein Rock. Ich finde sie ... na ja, irgendwie lächerlich.«
    Dylan sah sie lange an. Er fragte sich, ob er diese Frau eigentlich je richtig gekannt hatte. Sie war Mitte zwanzig, redete aber wie ein Teenager, wie ein nicht sonderlich aufgeweckter Teenager noch dazu. Wie um alles in der Welt hatte er sechs Monate mit ihr verbringen können, ohne etwas davon zu merken? Er räusperte sich, um etwas zu erwidern, fand aber auf einmal keine Worte mehr.
    Endlich blickte sie zu ihm auf, sah den Ausdruck seiner Augen und zog den richtigen Schluss daraus. »Hör mal, Dylan, ich muss jetzt wirklich gehen.«
    »Lass dich nicht aufhalten.«
    Ginny griff nach ihrer Handtasche. »Ich finde allein raus.« Als er keine Antwort gab, verabschiedete sie sich kühl von ihm, ging zur gläsernen Vordertür hinaus und war verschwunden; langsam fiel die Tür hinter ihr ins Schloss.
    Dylan stand in seinem Studio und bemühte sich, die Wut niederzukämpfen, die ihm die Kehle zuschnürte. Sie hatte es sich so einfach gemacht! Ginny und Donaldson? Einen Monat ging das schon, und er hatte nichts gemerkt. Ein gottverdammter Monat!
    Etwas explodierte in ihm. Er packte den Spieß, wirbelte ihn zweimal über seinen Kopf und schleuderte ihn dann blindlings ins Leere. Er flog quer durch den Raum und dann mit einem ohrenbetäubenden Krachen durch das Fenster seines Büros.
    Glassplitter fielen leise klirrend zu Boden. Das Geräusch brachte ihn wieder zur Besinnung, und seine Wut auf Ginny verrauchte, als er daran dachte, was es ihn kosten würde, die Scheibe zu ersetzen.
    »Verdammt«, fluchte er laut. »Ich bin doch ein gottverdammter Idiot!«

2.
    Am Eingang des Moss-Wright-Parks waren lange Tische aufgebaut, wo man sich in die Anmeldelisten für die 5. Middle Tennessee Clan Society Highland Games eintragen konnte. Der ganze Park wimmelte bereits von Amerikanern schottischer Abstammung, die aus allen Teilen der Staaten angereist waren. Die meisten trugen die traditionellen Plaids, von denen einige sogar die authentischen Farbmuster echter Clans aufwiesen; andere waren recht bizarr gemustert, und wieder andere waren Teile traditioneller Kostüme.
    Dylan nahm sein Schwert aus dem Jeep, schlang sich das Wehrgehänge über die Brust, schob dann das in seiner Scheide steckende Schwert durch die Schlaufe und befestigte es an der Seite. Dann reihte er sich in die Schlange vor den Anmeldetischen ein. Die leuchtend bunten Tartans taten ihm in den Augen weh. Dylan hielt nicht viel von den modernen Farbzusammenstellungen, die es damals, als der Kilt in Schottland im Alltag getragen würde, noch gar nicht gegeben hatte. Das grelle Orange und Blau stach unangenehm von den authentischeren olivgrünen, braunen und rostroten Plaids ab. Dylan selbst trug die Matheson-Farben: dunkelrot mit feinem schwarzen Muster.
    Von den Imbissbuden wehte ein verlockender Duft zu ihm herüber, und obwohl er gerade erst gefrühstückt hatte, freute er sich schon auf die Lunchzeit. Die Wettkämpfe und Vorführungen hatten noch nicht begonnen, doch viele Teilnehmer standen schon in Grüppchen am Feldrand, und einige Männer im Kilt bauten bereits die Dekoration auf. Bunte Linien markierten die Felder, auf denen das beliebte Baumstammwerfen, die Sparringskämpfe mit verschiedenen Schwerttypen und andere Wettkämpfe stattfinden sollten. In der Ferne hörte man Dudelsackklänge, und irgendjemand stimmte ein gälisches Volkslied an.
    In Dylans Nähe ertönte plötzlich ein freudiges Gequieke und unwillkürlich musste er lächeln: Die Mädchen hatten ihn erspäht. Er wusste nur nicht, ob er sich darüber freuen oder ärgern sollte. An jedem anderen Tag wäre ihm das Teenagertrio über kurz oder lang auf die Nerven gegangen, aber heute tat ihre großäugige Bewunderung seinem angeknacksten Ego gut.
    Cay, Silvia und Kym nahmen alle drei an dem

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