Vogelfrei
nach einem Vorwand, um sich zu verabschieden. Als er keinen fand, erwiderte er: »Als Kind habe ich herausgefunden, dass ich nach einem berühmten Mitglied des Matheson-Clans benannt worden bin, das hat mich neugierig gemacht. Mein Großvater hat mir die Geschichte wieder und wieder erzählt, bis er starb. Es gab da mal einen Matheson - wann genau er gelebt hat, wusste Großvater nicht -, der wurde Black Dylan genannt. Er war ein Straßenräuber, hat überall in Schottland die Leute ausgeplündert, trotzdem war er so was wie ein Volksheld. Dad gefiel der Name, weil ich schwarze Haare habe, und Mom war damals ein großer Fan von Bob Dylan. Also wurde ich nach einem Mann benannt, der vermutlich wegen Viehdiebstahl oder Überfällen auf Kutschen gehängt worden ist. Womit ich dir jetzt mehr erzählt habe, als du eigentlich wissen wolltest.« Er lächelte Marshall verkniffen zu.
Doch Raymond stellte ohne eine Spur von Sarkasmus nur lakonisch fest: »Für jemanden, der so in der Vergangenheit lebt wie du, muss es doch furchtbar schwierig sein, sich im zwanzigsten Jahrhundert zurechtzufinden.«
»Im einundzwanzigsten Jahrhundert«, zwitscherte Cody.
Raymond schüttelte den Kopf. »Nein, Schatz, das kannst du erst in drei Monaten sagen.« Er senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Deswegen heißt mein Lieblingsfilm ja auch nicht 2000: Odyssee im Weltraum.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dylan und Cody starrten Raymond an. »Wie dem auch sei«, meinte Dylan dann. »Und jetzt komm, Cody, zeig mir den Zwei...«
»Dylan Matheson?« Der junge Mann von der Anmeldung tippte Dylan auf die Schulter. Er hielt ein Formular in der Hand. »Sie müssen das hier bitte noch ausfüllen. Für die Versicherung, falls Sie vorhaben, dieses Schwert da tatsächlich zum Einsatz zu bringen.« Er trug einen schwarzgrünen Kilt mit passendem Wams und Plaid, nur das akkurat gestutzte Haar wollte nicht zu seiner Aufmachung passen, denn es verriet den Bürohengst des 20. Jahrhunderts.
Seufzend machte sich Dylan daran, den Papierkram zu erledigen. Cody ging mit ihrem Mann weiter, um sich die restlichen Attraktionen anzusehen. Dylan ging davon aus, dass sie sich später wieder treffen würden.
Die Schwertkämpfe sollten erst am Nachmittag stattfinden. Ronnie, der noch den Samstagmorgenkurs abhalten musste, würde auch erst gegen Mittag eintreffen, also verbrachte Dylan den Vormittag in der Gesellschaft der drei Mädchen. Sie sahen zu, wie muskelbepackte Kolosse Baumstämme, Felsbrocken und Ähnliches um die Wette schleuderten. Dylan selbst war nicht gerade klein und ziemlich kräftig gebaut, aber mit diesen Muskelprotzen konnte er nicht mithalten. Viele trugen ihr Haar lang, und während Dylan sie bei den Wettkämpfen beobachtete, kam er zu dem Schluss, dass sie wie Klingonen in Frauenkleidern aussahen. Er selbst bevorzugte Schwertkämpfe, denn er sah nicht viel Sinn darin, mit Holzklötzen um sich zu werfen.
Die Mädchen klebten den ganzen Vormittag wie die Kletten an ihm. Später stießen noch zwei weitere Karateschüler, Steve und Jeff, zu ihnen, die gleichfalls den Samstagmorgenkurs besuchen. Allmählich kam Dylan sich vor wie auf einem Schulausflug, und er fragte sich, ob heute Morgen überhaupt jemand zu Ronnies Unterricht erschienen war. Gegen Mittag stieß die Gruppe wieder auf Cody und ihren Mann.
An den Imbissbuden konnte man Fleischpasteten, Wurstbrötchen, Scones, Bannocks, Rübengemüse mit Schinken (hier war Dylan sich nicht sicher, ob es sich um ein Zugeständnis an die Besucher aus Tennessee oder um ein original schottisches, von den Einwanderern eingeführtes Gericht handelte), Törtchen, Fish and Chips, Buttergebäck, amerikanisches Bier und importiertes englisches Ale erstehen. Die Kids hielten sich an Hot Dogs und tranken Cola dazu, nur Kym ließ sich von Dylan dazu überreden, einmal von der Hackfleischpastete zu probieren. Auch Haggis war im Angebot, aber bei gekochten Schafsinnereien hörte Dylans Traditionsbewusstsein auf.
Die Gruppe quetschte sich an einen steinernen Picknicktisch im Schatten der Bäume, wo es angenehm kühl war. Ein Trupp Dudelsackspieler marschierte vorbei, und Cody schnitt eine Grimasse. »Wisst ihr, ich bin ja ein großer Freund von dieser Art Musik, aber wenn ich noch ein einziges Mal Scotland the Brave hören muss, dann springe ich auf und renne kreischend aus dem Park. Langsam komme ich mir vor wie in einem Werbespot für Rasierwasser!«
Dylan kicherte in seine
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