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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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aus- und das Nachthemd anziehen sollte. Das Seidenhemdchen hatte sie schon aus den Jeans gezogen. Sollte sie in den kleinen Nebenraum gehen? Aber dann drehte sie sich nur ein wenig ab und um. Und da ist seine Erinnerung, die jäh aufbricht und dieses Bild freigibt. Wie sie beim Ausziehen ihm den Rücken zukehrte, als wolle sie zeigen, wie der Verschluss des Büstenhalters aufzuhaken sei, den sie dann einfach fallen ließ, worauf sie sich umdrehte und jedes Mal so vor ihm stand, sich zeigte und ihm den ruhigen Anblick gewährte.
    Wie sie früher zusammen waren, wie sie übereinander hergefallen waren, erschien ihm derart nah und zugleich fern, dass er kurz auflachte.
    Was lachst du?
    Nur so.

    Sie liegt in der Kammer auf dem schmalen Bett, die Tür ist offen, sie hat sich mit dem Ellenbogen aufgestützt und blickt zu ihm herüber, das schwarzseidige Nachthemd, der Ausschnitt ein wenig spitzenverbrämt. Und plötzlich spürt er das Verlangen, nach Nähe, Haut, Fleisch, Wärme, Schweiß. Ja, in dir, denkt er, außer mir sein.

    Erst als ich durch die Reihe ging, sah ich dich, so selbstversunken. Ich habe wohl gedacht, es sei gut, neben jemandem zu sitzen, der keine Unruhe verbreitet. Immerhin hatte ich an dem Tag eine besonders lebhafte Klasse unterrichtet, nachmittags, in Kunst. Ich habe das vor Augen, du sitzt, ein Bein über das andere geschlagen, da und hast keinen Blick für die um dich Sitzenden übrig. Und dann erst, als wir nebeneinandersaßen, sah ich dein schönes, ernstes Gesicht.
    Die Unbedingtheit. Das Unverstellte.

    Wie merkwürdig, sagte er, auch ich hatte den Eindruck, du hättest nicht hingeschaut, hättest allenfalls nach einem freien Platz gesucht.
    Die Erinnerungen sind flusig, sagte sie, aber deutlich ist dieses Gefühl geblieben, von dir getrennt worden zu sein, so abrupt, als Ewald hinzukam. Ich wusste nichts von dir, du mehr von mir, durch dein Fragen, und all das in diesem kurzen Augenblick. Du bist ein Fragender, das dachte ich nach diesem ersten kurzen Treffen, ein zum Fragen Begabter.

    Er löschte das Licht. Eine tiefe Stille. Das Kostbarste war die Geräuschlosigkeit hier auf der Insel, vom Wind und Wellenschlag abgesehen.
    Aus der Dunkelheit, die auf der Insel und auch in der Hütte tief war, hörte er ihre Stimme, und sie kam wie von fern: Komm, das Bett ist gut für zwei.
    Ist das gut, jetzt?
    Ja, sagte sie, komm, lass uns ein Friedensfest feiern.

    Die schönen Zeilen, die ihm sein Nachbar, der Perser, geschenkt hatte:
    Nun öffnet sich die Stirne klar,
    Dein Herz damit zu glätten.
    Später lag er lange wach in der kleinen Kammer. Von seinem Bett aus konnte er in die Nacht sehen und das Leuchtfeuer, das aus der Ferne von der Insel Neuwerk herüberkam. Ein schöner Name für eine Insel, die eingedeicht worden war und jetzt Schutz bot für Mensch und Tier.

    Früh, wie gewöhnlich, wachte er morgens auf. Sie schlief noch. Die Tür zu ihrer Kammer stand offen, und er konnte sie in Ruhe betrachten. Das Haar, dieses volle hellbraune Haar mit dem rötlichen Glanz, lag auf dem blau karierten Kopfkissen. Den Kopf seitwärts gedreht, die Lider so schwer, und er fragte sich, durch welche Traumstraßen sie gerade ging. Einen Augenblick lang lauschte er ihren ruhigen Atemzügen und dachte, gäbe es die Gerechtigkeit, die Jonas verlangt, so hätte es mich, nicht sie treffen müssen. Aber es ist nur der blinde terroristische Zufall. Er stand da, und eine tiefe Trauer überkam ihn.

    Sein Handy klingelte. Bauer Jessen rief an und sagte, er habe auf Neuwerk übernachtet, und wenn die Frau heute noch zum Festland wolle, müsse man bald fahren. Sturm sei für den Abend angesagt. Das Wasser stehe in den Prielen hoch. Es sei unsicher, ob er bei der nächsten Tide noch durchkäme.

    Eschenbach legte Papier und Holz in den Ofen, zündete ein Feuer an, wusch sich in der Küche am Waschbecken, trocknete sich ab und ging hinaus.
    Es war kühl, kein Wind ging und Dunst lag über der Insel, ein helles Grau, das sich langsam lichtete. Schon war als heller Kreis die Sonne zu erkennen.
    Als er wieder in die Hütte kam, wusch sie sich am Waschbecken Gesicht und Achseln.
    Ein wenig wie in der Jugendherberge, sagte sie, aber sie habe gut geschlafen, tief und fest, seit vielen Tagen zum ersten Mal wieder.
    Er stellte den verbeulten Kupferkessel auf den Ofen, das Fundstück mit der langen Geschichte, und deckte den Tisch, mit Toast, Schwarzbrot, Butter, Marmeladen von der Bäuerin Jessen.
    Sie hatten sich auf das

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