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Vogelweide: Roman (German Edition)

Vogelweide: Roman (German Edition)

Titel: Vogelweide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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Kopftüchern und erdbraunen fußlangen Mänteln drängten sich um diese Stände, befühlten den Stoff und prüften die Größe. Auf einem Tisch erhoben sich zwei Kunstoffbeine, die Zehen wie zum Schwur in den Himmel gereckt. Strümpfe in unterschiedlichen Farben und Musterungen. Und wieder Blumen und Gemüse, daneben, hinter einer auf zwei Böcken liegenden Holzplatte, stand sie, eingehüllt in einen schwarzen Mantel, einen Schal um den Hals gewickelt, die Hände frierend unter die Arme geschoben, und blickte so freundlich wie erwartungsvoll den Vorbeigehenden entgegen. Er ging zu einer Imbissbude, kaufte zwei Pappbecher Kaffee, nahm zwei Milchdöschen und Zuckertütchen und ging zu ihr. Langsam kam das Erkennen in ihr Gesicht und mit ihm ein Lächeln. Ach, Sie.
    Ihre Arbeiten?
    Ja, sagte sie, den Kaffeebecher in den roten Wollhandschuhen, ich nehme nichts in Kommission. Hier liegen nur ganz einfache Silberringe. Man muss aufpassen, seit die Rumänen aufgetaucht sind. In einem abschließbaren Glaskasten lagen die teuren Stücke, Silberbecher, eine kleine silberne Kanne. Sie habe eine Ausbildung als Silberschmiedin in Warschau gemacht, und vor sieben Jahren sei sie nach Deutschland gezogen. Er tippte auf den Glaskasten, und sie schloss den Deckel auf und gab ihm einen der silbernen Armreifen, auf dem in einer exakten Regelmäßigkeit schwarz stilisierte Figuren tanzten, die Beine strichförmig wie die Arme, der Körper etwas breiter, auf dem Kopf Zacken, wahrscheinlich Federn symbolisierend, vorgebeugt eine Flöte spielend, alles knapp, in äußerster Abstraktion, die den Rhythmus des Tanzes, ein Stampfen, wiedergab. Nach oben war der Reif mit einem Mäander-Ornament gerandet, das für Alter und Neugeburt steht und offensichtlich auch in dieser der Klassik so fernen Kultur der Hopis seine Bedeutung gefunden hatte. Als er ihr das sagte, wollte sie es sich, da sie das noch nicht gehört hatte, gleich aufschreiben.
    Er fragte nach dem Preis und war überrascht, als sie einfach siebenhundert sagte. Und wie zur Entschuldigung erklärte sie ihm die erforderliche Arbeit, eine höchst komplizierte, bei der zwei Silberschichten gewalzt und gehämmert werden. In der oberen Platte wird sodann mit einer feinen Säge die Motivfolge ausgesägt. Eine Millimeterarbeit. Man muss dabei die Luft anhalten. Mit einem Stahlstichel werden in der darunterliegenden Platte die durchscheinenden Stellen punziert und danach oxydiert. Die beiden Silberplatten werden aufeinander gelötet. Die Oberfläche wird mit einem Stück Wildleder poliert. Ein Verfahren, das sie in Amerika, in Santa Fe, studiert hatte, erzählte sie ihm, er stand, vergaß die Kälte, hörte sie von der großen Kunst der Hopi erzählen, von der Genauigkeit, von der erforderlichen Dauer der Arbeit, von der Vielfalt und Schönheit der Motive, und fragte sie schließlich, ob er sich das einmal ansehen dürfe, und sie sagte Ja.
    Die angenehme Empfindung, als er den kühlen, glatten Reif in der Hand hielt.
    Ich kaufe den Armreif. Ob er sie in der Werkstatt, in ihrem Laden besuchen und dort zahlen und den Armreif abholen dürfe.
    Lieber ist mir, Sie könnten gleich und bar bezahlen.
    Er war zu einem Geldautomaten gegangen, hatte das Geld gezogen und ihr gebracht, war nach Hause gefahren und hatte, was ihm während der Fahrt eingefallen war, Brian Enos My Life in the Bush of Ghosts aufgelegt. Er saß, obwohl er sich mit einer Kalkulation hätte beschäftigen müssen, im Sessel und betrachtete das rhythmische Stampfen, hörte den Sprechgesang, den ihm der Silberreif vor Augen führte. Sein Staunen über ihre Kunst war groß und wurde, je länger er das Motiv betrachtete, zur Bewunderung.

    Von da an kam er abends oft zu ihr in die Werkstatt, saß da erschöpft vom Telefonieren, dem Reden und Widerreden mit Geschäftspartnern und seinen Kompagnons, die Augen trocken vom Lesen und Schreiben der Mails, vom Studium der Bilanzen, all dieser, wie ihm schien, ergebnislosen Arbeiten, die irgendwo anders etwas minimierten oder maximierten, je nach Sicht auf die Dinge, er kam und setzte sich zu ihr, die gern am Abend, auch in der Nacht arbeitete, das Recht der Gold- und Silberschmiede, sagte sie, Hephaistos arbeitet ja auch in dem dunklen Berg.
    Er sah ihr zu, ein Glas Wasser oder Rotwein in der Hand, und beobachtete, wie ihre Finger das Material fassten, wie sie mit dem Brenner arbeitete, wie sie hämmerte und bog, alles Tätigkeiten, deren Sinn sogleich einsichtig war, Handbewegungen, geübte,

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