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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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der Zufall so will, morgen Abend.«
    »Toller Zufall«, sagte Morgenstern. »Und was sind das für Häuser,
die man da zu sehen kriegt?«
    »Jurahäuser. Die sind typisch hier für Eichstätt und Umgebung.«
    Wenig später kehrte sie mit den Zeitschriften und der entkorkten Flasche
Wein zurück. Im Funzellicht einer Laterne beugten sich die beiden über die
Hefte.
    »Das Jurahaus« hieß die Zeitschrift – und auf dem Titel zeigte
sie ein gedrungenes, klobiges Bauernhaus mit symmetrisch angeordneten kleinen
Fenstern und einem flach geneigten Dach, das mit hellen, dünnen Steinplatten
gedeckt war.
    »Und so ein Haus schwebt dir vor?« Morgenstern deutete auf das Bild.
»Du spinnst ja total. Das ist ein uralter Kasten. Und außerdem ist das irgendwo
in der Pampa.« Er war nun entschlossener denn je, Fiona zu stoppen.
    »Ich will ja nicht dieses Haus hier haben«, sagte Fiona. »Das gibt
es alles auch in klein, auch hier in der Stadt. Man muss nur das passende
finden.«
    »Was ist denn das überhaupt für ein komisches Dach?«, motzte
Morgenstern.
    »Das ist ein sogenanntes Legschieferdach«, erklärte Fiona mit unverkennbarem
Stolz auf unlängst angelesenes Wissen. »Das sind keine normalen Dachziegel,
sondern die Kalkplatten hier aus den Steinbrüchen.« Sie deutete zur Hangkante
des Altmühltals, die schon fast gänzlich in Dunkelheit versunken war. Dahinter
lagen Steinbrüche. »Mit den Platten haben die Menschen hier immer schon ihre
Häuser gedeckt.«
    »Und das hält dicht?«, fragte Morgenstern.
    »Ja, aber das Haus braucht einen ziemlich stabilen Dachstuhl, weil
die Platten so viel wiegen. Man deckt die Platten immer in mehreren Lagen,
damit kein Wasser eindringen kann.«
    Morgenstern staunte erst, dann wurde er misstrauisch. »Wie lange
treibt dich das Thema denn schon um? Du kennst dich verdächtig gut aus mit der
Materie.«
    »Ein paar Monate. Ich wollte mich erst informieren, bevor ich dich
nervös mache.«
    »Vielen herzlichen Dank fürs Mitgefühl«, sagte Morgenstern verschnupft.
Mit zunehmender Unlust blätterte er in der Zeitschrift. Er sah komplizierte
Zeichnungen von Dachstühlen und Balkenkonstruktionen, blickte auf halb
verfallene Häuser mit eingebrochenen, grau vermoosten Dächern, zerschlagenen
Fensterscheiben und finsteren, rußigen Räumen, fand aber auch viele Fotos von
frisch renovierten ockerfarbenen Häusern mit Blumen-gärten, grünen
Fensterläden und blühenden Rosenstöcken neben der Tür.
    Fiona reichte ihm noch die Broschüre mit dem Programm der »Woche des
offenen Jurahauses«. »Ich habe mir schon ein paar interessante Termine
ausgesucht. Wäre zum Beispiel schön, wenn du am Dienstagabend ein bisschen
früher von der Arbeit heimkommen könntest.«
    Morgenstern fühlte sich von Fiona überfahren – und mit einem
Mal wurde ihm alles zu viel.
    Wütend knallte er die in schlichtem Schwarz-Weiß gedruckte Broschüre
auf den Balkontisch, nahm sein volles Glas, trank es auf einen Zug aus und
stellte es ebenfalls auf den Tisch, halb auf die Zeitschriften. Im Aufstehen
stieß er an den Tisch, das Glas kippte um und fiel zu Boden. »Ich geh jetzt ins
Bett«, sagte er, drehte sich um und ging in die Wohnung. Drinnen murrte er noch
eine ganze Weile vor sich hin. »Ein Haus? Ich brauch doch kein Haus! Ein Haus
bringt nur Ärger. Nichts als Ärger.«
    Als Fiona zehn Minuten später zu ihm ins Bett schlüpfte, schlief er
schon friedlich wie ein Säugling.
    »Und wir kriegen doch ein Haus, ob du willst oder nicht«, flüsterte
sie ihm ins Ohr. »Eins mit einem Steindach.« Morgenstern grunzte.
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