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Vogelwild

Vogelwild

Titel: Vogelwild Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Auer
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Sachbeschädigung. Morgenstern fühlte, wie sich
Groll in ihm breitmachte, obwohl er eben noch bester Dinge gewesen war. Tom
Petty, dessen Song bis vor wenigen Momenten noch in seinem Kopf nachgeklungen
hatte, war verstummt. Ausgeknipst von einem einzigen metallischen Geräusch und
ein paar Buchstaben an einer Wand.
    Entschlossen wandte sich der Oberkommissar Richtung
Hauptportal. Mit seinem gotischen Gewölbe wirkte es wie eine dunkle Höhle,
deren Gang über einige Treppenstufen hinab zu den hölzernen Türflügeln des Doms
führte. Fünfzehn Meter vor dem Schlund entdeckte er, was er suchte: Zwei, nein
drei Personen duckten sich an den Rand der Portalhöhle, um seinem Blick zu
entkommen. Vergeblich.
    In dieser Sekunde war Oberkommissar Morgenstern
plötzlich wieder im Dienst. »Ich habe Sie gesehen. Machen Sie, dass Sie hier
rauskommen!«, rief er mit energischer und lauter Stimme. Die drei schienen zu
gehorchen. Sie richteten sich auf und kamen zögerlich die fünf Treppenstufen zu
ihm hinauf, bis sie auf dem Domplatz standen. Morgenstern atmete tief durch.
Drei gegen einen: Das konnte ihn nicht schrecken, zumal diese drei, dem ersten
Eindruck nach, schmalen, jungen Burschen ziemlich erschrocken wirkten. Dank der
polizeilichen Judo-Grundausbildung würde er mit diesen Milchbubis im Ernstfall
schon fertig werden.
    »Haben Sie etwa den Dom beschmiert?«, fragte
Morgenstern und versuchte dabei, trotz des Alkohols, so viel Autorität wie nur
möglich in seine Stimme zu legen.
    »Und wer will das wissen?«, pflaumte ihn der Größte
des Trios patzig an.
    In diesem Moment sah Morgenstern auf dem
Gehwegpflaster eine Spraydose liegen. Die also hatte beim Herunterfallen das
laute Geräusch verursacht, das ihn aufgeschreckt hatte.
    »Morgenstern, Oberkommissar. Mir scheint, ich habe Sie
da bei etwas Illegalem erwischt.« Die drei jungen Männer standen unbeweglich
da, noch immer fünfzehn Meter von Morgenstern entfernt. Jetzt musste er sich um
die Formalitäten kümmern. Er hatte die Personalien festzustellen und irgendwie
die Kollegen von der Polizeiinspektion zu benachrichtigen. Hatte er überhaupt
sein Handy eingesteckt? Morgenstern fummelte mit leicht fahrigen Bewegungen in
der Brustasche seiner Jeansjacke nach seinem Mobiltelefon herum, wobei er die
Sprayer für zwei, drei Sekunden aus den Augen lassen musste. Ein Fehler, ein
Kardinalfehler sogar: Zwei der Burschen rannten wie auf Kommando los und
sprinteten am Dom entlang gen Westen. Der dritte zögerte kurz, gab dann aber
ebenfalls Fersengeld.
    »Verdammt noch mal, bleiben Sie stehen!«, brüllte
Morgenstern aus Leibeskräften in die Nacht, dann folgte er den Ausreißern.
Seine geliebten Cowboystiefel stellten sich dabei als Hindernis heraus: Das
abgewetzte Granitpflaster des Platzes war so spiegelglatt, dass der
Oberkommissar aufpassen musste, um mit seinen ebenso glatten Sohlen nicht
auszurutschen. Hätte er nur seine Turnschuhe getragen! Immerhin war seine
Kondition gut, dessen war er sich sicher.
    Die drei bogen an der Pfahlstraße in Richtung Rathaus
ab. Sie hatten zwar fünfzig Meter Vorsprung, aber das musste noch nichts
heißen. Morgenstern nahm all seine Kräfte zusammen und sprintete hinterher.
    »Der Wolf hetzt die Meute«, triumphierte er innerlich,
als der Abstand sich deutlich verringerte. Er konnte die Burschen schon keuchen
hören. Noch zweihundert Meter, und wenn es unbedingt sein musste, auch zwei
Kilometer, dann würde er sie eingeholt haben. An einer engen Gasse bogen die
Gejagten nach links ab. Sie wollten also den Fußsteg über die Altmühl nehmen,
folgerte Morgenstern. Dahinter begann der Radweg, der am Fluss entlangführte.
Auf der geraden Strecke würden die Burschen keine Chance mehr gegen ihn haben,
Morgenstern, erfolgreicher Bezwinger des Nürnberger Halbmarathons vor drei
Jahren.
    Die fünf Guinness waren der Grund, warum Morgenstern
viel zu spät auf das Hindernis reagierte, das ihm plötzlich den Weg blockierte.
Die Sprayer hatten an der Einmündung in die Gasse im Vorbeirennen fünf prall
gefüllte gelbe Säcke auf den Weg geworfen, in denen die Bewohner vorbildlich
ihren Plastikabfall für die Müllabfuhr gesammelt hatten. Die Eichstätter Bürger
waren wahre Meister der Mülltrennung. In riesigen Bergen warteten alle vier
Wochen an jeder Straßenecke die Recyclingsäcke auf die anstehende Abholung.
Morgenstern wurde von der Miniaturbarrikade völlig aus der Bahn geworfen. Er
schaffte es gerade noch, über den ersten Müllsack zu

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