Volksfest
dem Willi und der ÜBL . Warum, glaubst du, hat er den Mantler verteidigt?»
«Keine Ahnung.»
«Wenn wir das wissen, dann haben wir vielleicht auch die Verbindung zwischen der Johanna und dem Willi, nach der wir suchen.»
«Suchen wir die?»
«Entschuldigung, was tun wir denn schon den ganzen Tag, wenn nicht ermitteln? Außer deiner kurzen Unterbrechung bei der Susi. Jetzt sag einmal: Was genau ist denn da schiefgegangen?»
Suchanek runzelte die Stirn und schaute in die Ferne. In dieser vergriff sich der Heimeder gerade an «Smooth» von Santana. Und es reichte nun wirklich schon, wenn sich Santana an «Smooth» von Santana vergriff.
«Ich geh einmal aufs Klo», entschied er.
Eine Stunde später.
«Meinst du eigentlich, er ist hier?»
«Wer?»
«Na, der Mörder.»
«Keine Ahnung. Am besten, wir sondieren das Terrain. Schauen, ob uns etwas Verdächtiges auffällt.»
«Ja.»
«Ja.»
Noch eine Stunde später.
«Wenn ich die Augen zumach, dann dreht sich alles.»
«Dann lass sie offen.»
Wieder eine Stunde später.
«Also was jetzt? Stehst du jetzt auf die Susi oder nicht?»
«Ja. Ich glaub schon.»
«Und dann rennst du davon?»
«Ja genau, dann renn ich davon.»
«Jetzt reiß dich zusammen. Du gehst jetzt zu ihr und erklärst ihr alles. Was soll schon sein? Dass du morgen Abend wieder allein nach Wien fährst? Das hättest du doch sowieso getan.»
Suchanek dachte scharf nach, eine Tätigkeit, die sich, wie er sofort merkte, mit der Unterstützung von ausreichend rotem Wodka gleich viel einfacher gestaltete. «Aber es ist drei Uhr früh.»
«Das ist eine wichtige Sache. Was zählt da schon die Zeit?»
Lächelnd stellte die Urli die nächsten zwei auf die Budel und sagte: «Bleibt’s ihr eh noch ein bissl? In einer halben Stunde mach ich Schluss.»
Suchanek musste langsam aufpassen, dass das mit der Sauferei hier nicht aus dem Ruder lief. Jetzt spürte er die roten Wodkas doch schon ein wenig. Aber ganz so schlimm war es auf der anderen Seite auch wieder nicht, denn er wusste zum Beispiel genau, der wievielte das schon war: der erste seit dem letzten.
«Gut», sagte er mit fester Stimme zu Grasel. «Den einen trink ich noch. Und dann geh ich.»
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15
Weil er nach längerem Ringen mit sich selbst schlussendlich einsah, dass es eh nicht wirklich zu vermeiden war, öffnete Suchanek halt schweren Herzens die Augen.
Er befand sich in einem Bett. So viel war klar. Es war nicht seines. An der Wand ein Poster. War das … Jimi Hendrix? Dann konnte es eigentlich nur das Bett vom Grasel sein.
Suchaneks Kopf lag seitlich auf einem Polster. Aber irgendwas war da noch unter seiner Wange. Es drückte unangenehm. Er hob den Kopf unter größter Anstrengung gerade einmal so weit hoch, dass er das störende Ding unter seinem Gesicht vorsichtig genug hervorziehen konnte, dass ihm sein durch diese Anstrengung mit enormem Druck pulsierendes Blut nicht gleich bei den Ohren herausquoll. Dann starrte er seine Beute an. Was ihn da im Gesicht malträtiert hatte, waren Strass-Glitzersteine. Sie bildeten die Feststellung « SEXY !» auf einem roten Stringtanga.
Suchanek versuchte, sich zu erinnern, was passiert war. Es klappte. Also versuchte er umgehend, es wieder zu vergessen.
Seine letzte Hoffnung, wirklich die allerletzte, denn alles andere war in diesem Augenblick ohnehin schon egal, bestand darin, dass der Feuchtigkeitsgrad des Teils auf seine Tendenz zurückzuführen war, im Schlaf zu sabbern wie ein zahnloser Lustgreis. Weil, wenn nicht … Dann.
Suchanek nahm all seinen Mut zusammen, atmete noch einmal tief, also schmerzhaft, ein und drehte sich auf die andere Seite.
Was er da sah, war eigentlich wunderschön. Lauter kleine Zirruswölkchen, dicht an dicht gedrängt bis zum Horizont, von der untergehenden Sonne in ein warmes, allerdings leicht fleckiges Orangebraun getaucht – wären es gewesen, wenn er aus dem Fenster auf den Abendhimmel geschaut hätte. Da dem aber nicht so war, und vor allem auch angesichts der zwei Piercings, die sich aus dem Wolkenmeer erhoben, musste Suchanek davon ausgehen, dass es sich doch eher um den von jahrzehntelangem Sonnenbankmissbrauch gegerbten Oberkörper von der Burli-Urli handelte.
Die Urli lag am Rücken, den Mund halb offen, die Wangen eingefallen. Wenn man sich die leicht ausgewachsene, bis auf den ersten weißen Zentimeter karottenrote Dauerwelle wegdachte, sah ihr Gesicht aus wie die Maske von Anton Bruckner, die Suchanek einmal bei einem
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