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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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Käsereibe. Sein Atem roch, als habe er gestern vor Willis großem Auftritt einen tiefen Zug aus dem Kanalrohr genommen und ihn erst jetzt wieder freigelassen. Und auf seiner Wange stand in Druckbuchstaben: SEXY ! Wenigstens spiegelverkehrt. «Ich bin eh schon lang munter.»
    «Kann ich kurz reinkommen? Ich möchte nicht, dass uns wer zusammen sieht.»
    Wenn eine Frau wie die Lengauer Milli, eine durchaus nette Person auf der einen Seite, aber auf der anderen halt auch eine psychisch mittelschwer entgleiste Kleptomanin, zu einem sagte «Ich möchte nicht, dass uns wer zusammen sieht» – dann wusste man endgültig, dass man es im Leben zu etwas gebracht hatte.
    Suchanek schaute unsicher nach hinten. Grasel und … die Frau, deren Namen er ohne Kondom nicht einmal denken wollte, schliefen noch. Beim Grasel war es ja egal, aber wer konnte schon wissen, was passierte, wenn die Urli aufwachte?
    «Ja, sicher. Aber wir müssen leise sein.»
    Die Lengauerin stellte ihre riesige Handtasche auf das Schuhkästchen im Vorraum und begann zu kramen. «Eigentlich sollte ich ja damit zur Polizei gehen», sagte sie, «aber du hast ja bei der Susi im Geschäft gesehen, dass ich ein kleines Problem habe. Und mit diesem Problem ist es immer gescheiter, man macht einen Bogen um jedes Amtskapperl. Und wenn ich ihnen das bringen täte, was ich gestern …, äh, also was mir gestern in die Hände gefallen ist, dann täten die natürlich wissen wollen, woher ich es habe. Na geh, wo ist er denn jetzt!»
    Mit einem verärgerten Zischgeräusch begann die Milli jetzt, ihre Tasche auszuräumen. Ein Taschenmesser, ein noch in Zellophan eingeschweißtes Kartenspiel, ein Duschgel, ein Eierschneider. Ein Eierschneider!
    «Wobei ja genau das das Interessante ist», fuhr sie fort. «Woher ich den habe … Ah, da ist er ja.» Sie zog ein rosafarbenes Stück Papier aus ihrer Tasche und hielt es Suchanek hin. Es war ein Führerschein.
    «Also habe ich mir gedacht, ich gebe ihn dir. Weil du ein Freund von der Susi bist. Und ich denke mir, ein Freund von der Susi wird mich schon nicht verraten. Außerdem bist du doch sicher, weil du ein Zeuge warst und weil du überfallen worden bist und alles, eh mit der Polizei in Kontakt. Aber denk daran: Du darfst auf keinen Fall jemandem sagen, dass du ihn von mir hast.»
    Suchanek klappte den Führerschein vorsichtig auf. Der Mann auf dem Foto hatte einen Vokuhila-Haarschnitt, der einem die Tränen aus den Augen trieb, einen flaumigen Oberlippenbart und ein Flinserl in einem Ohr. Akuter Achtziger-Jahre-Alarm. Von so einer Figur würde er sicher nie einen Gebrauchtwagen kaufen. Andere, und nicht einmal so wenige, hatten hingegen genau das über Jahre getan.
    Der Führerschein war der vom Bobek Willi. Suchanek war noch sprachloser als sonst. Er hob die Hände zu einer Geste völligen Unverständnisses.
    «Ja», sagte die Milli. «Genau das hab ich mir auch gedacht, wie ich ihn gesehen habe.»
    «Woher haben Sie den?»
    Milli seufzte. «Also, gestern Abend am Volksfest … Solche Anlässe sind natürlich immer recht fein für mich, die Leute sind abgelenkt, lassen ihre Sachen herumliegen, und keiner achtet auf mich. Aber nicht, dass du jetzt glaubst, ich will ihnen ihr Geld stehlen oder was. Wenn ich zufällig eins erwisch, geb ich es eigentlich immer zurück. Was mich mehr interessiert sind so … Trophäen. Irgendwelche persönlichen Kleinigkeiten.»
    Suchanek räusperte sich geräuschvoll. «Sie haben den Führerschein also jemandem gestohlen?»
    Milli schaute auf den Boden. «Man kann das niemandem erklären, der das nicht selber spürt. Das ist wie … Ich muss das einfach tun, weißt du? Und ich schäme mich ja eh. Jedes Mal. Aber gestern, das war wieder so verführerisch. Und so leicht. Ihm ist seine Jacke hinten von der Bühne runtergefallen, und dann ist sie einfach so herumgelegen, und niemand hat sich um sie gekümmert …»
    Suchanek zog erwartungsvoll die Augenbrauen in die Höhe. Milli seufzte noch einmal.
    «Und er war so in die Musik vertieft. Da hat der Kurtl natürlich nichts gemerkt.»
    Der Heimeder Kurtl also hatte den Führerschein eines Mordopfers in seiner Jacke spazieren getragen. Dafür gab es jetzt nicht überbordend viele gute Erklärungen. Eigentlich nur eine.
    «Frau Lengauer, ich glaub, in diesem Fall wird sich niemand drum kümmern, dass Sie etwas gestohlen haben. Wir reden hier von einem Mord! Der ist schon ein bissl wichtiger. Sie müssen zur Polizei gehen!»
    Milli schüttelte

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