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Volksfest

Volksfest

Titel: Volksfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Nikowitz
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… Nein. Dass ihm sein gestriger Auftritt leidtat. Das musste reichen.
    Er ging die Treppe wieder hinunter und drehte sich dann noch einmal um. Und in diesem Moment konnte er deutlich sehen, wie sich der Vorhang im Fenster neben der Tür bewegte. Suchanek nickte. Und dann ging er nach Hause.
    Der Radiowecker, den sein Vater im Fußballtoto gewonnen hatte, schnippte gerade auf 16 . 34  Uhr, als Suchanek mit einer eleganten finalen Streichelbewegung den ersten Joint des Tages fertigstellte.
    Normalerweise war er natürlich mit den wichtigsten Verrichtungen seines Tagewerks nicht so spät dran. Da war er schon konsequent. Man brauchte ja eine gewisse Struktur in so einem Tag, und wenn man alles immer nur verschob und verschob, dann erledigte man es unter Umständen nie. Und das wäre gerade in diesem Fall doch sehr schade gewesen. Aber in letzter Zeit war da ja überhaupt so einiges durcheinandergekommen.
    Suchanek ging auf den Balkon. Der erste, tiefe Zug füllte seine Lungen, und mit ihm breitete sich das wohlige Gefühl in seinem Körper aus, dass jetzt alles wieder beim Alten war. Zumindest fast. Er musste nur noch in zwei Stunden seine Eltern einsammeln, ihnen einigermaßen schonend beibringen, dass ihr Hund ein Skin-Arsch war und darüber hinaus das Haus vollgepinkelt hatte – wobei Suchanek diese Information, wenn er nicht mehr mit reinging, eigentlich auch noch zurückhalten konnte, bis er außer Schussweite war –, sich von seinem Vater zwei, drei Hunderter zustecken lassen, ohne dass es seine Mutter merkte, und dann aufs Gas steigen. Keine Verpflichtungen mehr und, was man keineswegs gering schätzen sollte, kein Neuner-Ranreiter, der nachts ins Schlafzimmer kam, weil er einem rasch einmal den Hals durchschneiden wollte.
    Er schaute auf die Brandruine beim Fünfer. Schon verrückt. Es war gerade einmal … wie lange her? Ja. Knappe sechzig Stunden erst, dass er genau hier gestanden war und gesehen hatte, wie der Neuner da drüben das Feuer gelegt hatte. Und was in der Zeit alles passiert war. Gut, bei Kiefer Sutherland in dieser Serie passierte in 24  Stunden noch viel mehr. Atomkriegsvermeidung, Erdachsenverschiebungsstopp und Supernovahintanhaltung inklusive.
    Aber in dieser Serie würde es auch garantiert nicht vorkommen, dass man am Ende, wenn dann selbst Sutherland schon ein klitzekleiner Gedanke an Schlaf durch den Kopf schoss, nicht wusste, was denn eigentlich mit dem Bertl passiert war. Abgesehen davon, dass der Bertl dort nicht Bertl hieße, sondern Bob und auch nicht ORF  2 sondern CNN . Oder CBS . Oder ABC . Oder …
    Sieben oder acht amerikanische Networks später dachte Suchanek, dass der Neuner dem Wimmer, der ihn jetzt gerade in der Mangel hatte, ja eigentlich gestehen konnte, was er mit dem Bertl gemacht hatte. Für den Doppelmord bekam er sowieso schon lebenslänglich, ein dritter würde also überhaupt nichts mehr ändern. Und irgendwann würde die Leiche ohnehin auftauchen, so viel Zeit, sie gründlich zu beseitigen, hatte er ja nun wirklich nicht gehabt. Und falls der Bertl sogar noch leben sollte und nur irgendwo sicher verwahrt war, konnte sich der Ranreiter vielleicht sogar noch irgendwas aushandeln. Weniger Schmalz zwar sicher nicht, aber wenigstens eine Zelle mit Aussicht und einem Mitbewohner mit geringem sexuellen Appetit. Andererseits hatten die den Neuner-Hof sicher schon in seine Einzelteile zerlegt, und wenn der Bertl dabei zutage gefördert worden wäre, hätte man das wohl schon gehört. Das sprach wiederum dagegen, dass er noch lebte.
    Aber warum, fix noch einmal? Warum der Bertl? Was hatte der bloß dem Neuner getan? Wobei, vielleicht hatte er ihm ja gar nichts getan. Vielleicht war er ja nur Zeuge von irgendwas geworden. So wie der Suchanek selber. Natürlich, das musste es sein. Der Bertl hatte irgendwas gesehen, und der Neuner wollte verhindern, dass er es wem erzählte.
    Suchanek sog ein letztes Mal an dem in der Zwischenzeit nur mehr fingernagelgroßen Joint, schnippte ihn dann über das Geländer und sah ihm interessiert nach. Verdammt! Da unten wackelte gerade ein weißer Trichter vorbei. Er wollte seinen Eltern nicht auch noch ein zusätzliches Brandloch im Restfell von Fritzi oder Franzi, Ferdi, Fredi? erklären müssen. Der Hund blieb stehen und schnüffelte an etwas, das im Gras lag. Dadurch verfehlte ihn die Kippe glücklicherweise und fiel vielleicht 20  Zentimeter vor seiner Nase auf den Boden. Vorsichtig roch er ihr entgegen, zuckte zurück und schaute

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