Voll daneben
schleiche ich mich aus meinem Zimmer. Tante Pete schläft auf der Couch. Dinos und Orlandos Autos sind von der Auffahrt verschwunden. Es ist ganz still. Sehr still. Ich gehe durch die Küche und das Wohnzimmer und öffne die Haustür, ohne ein Geräusch zu machen. Dann gehe ich über den Rasen und klopfe leise an Darleens Fenster. Als niemand reagiert, klopfe ich lauter. Ich muss noch dreimal klopfen, aber schließlich öffnet sich das Fenster, und Darleen steckt den Kopf heraus. Ihr Haar ist zerzaust, und sie blinzelt mich verschlafen an.
»Liam? Was machst du hier? Es ist mitten in der Nacht.«
»Ich muss mit dir reden«, sage ich. »Es ist wichtig.«
Sie runzelt die Stirn. »Es ist drei Uhr morgens.«
»Bitte.«
Sie reibt sich die Augen.
»Was ist los? Du siehst furchtbar aus.«
»Kann ich bitte reinkommen? Ich könnte durchs Fenster klettern, dann kriegt es dein Vater nicht mit.«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Ich versuche zu schlafen. Du solltest um diese Zeit gar nicht draußen sein.«
»Ich muss dich etwas fragen. Bitte .«
Darleen seufzt.
»Also gut«, sagt sie schließlich. »Du kannst für fünf Minutenreinkommen. Mehr nicht. Ich verstehe nicht, warum du mich das, was du mich fragen willst, nicht auch von da draußen fragen kannst. Und wenn mein Vater dich hört, wird er völlig ausflippen.«
Ich suche mit dem Fuß Halt in einem Busch, finde eine geeignete Stelle und ziehe mich hoch. Als ich hoch genug bin, schwenke ich das Bein über den Fenstersims.
»Du wirst dir den Hals brechen«, murmelt Darleen.
Ich falle auf den Fußboden. Dann stehe ich auf und warte, bis ich wieder normal atmen kann.
»Was ist so wichtig, dass du mitten in der Nacht reinkommen musst?«
Unsicher, wo ich anfangen soll, setze ich mich auf ihr Bett.
»Ich muss wissen ...«, sage ich. »Ich habe über eine Menge nachgedacht und ... Ich muss wissen, ob mit mir etwas nicht stimmt oder ... Warum magst du mich nicht?«
Darleen verzieht mürrisch das Gesicht. »Im Augenblick mag ich dich nicht, weil es drei Uhr morgens ist und du mich geweckt hast, um mir eine dumme Frage zu stellen, die auch bis morgen hätte warten können –«
Irgendwas in meinem Gesicht bringt sie dazu, ihre Meinung zu ändern, denn plötzlich unterbricht sie sich.
»Das ist echt wichtig für dich, oder?«
Es gelingt mir kaum zu nicken.
»Habe ich etwas an mir, das einfach nur dumm oder schlecht ist oder ... Ich weiß auch nicht ...« Mir bleiben die Worte im Halse stecken.
Jetzt setzt sich Darleen neben mich aufs Bett und streicht mir das Haar aus dem Gesicht, wie Mom es immer tut, und für einen Moment denke ich: Ach Shit, ich mache mich schon wieder lächerlich . Aber dann seufzt sie.
»Ich gebe ja zu«, sagt sie, »dass ich dich von dem Augenblick an, als wir uns das erste Mal begegnet sind, nicht ausstehen konnte. Ich habe dein Telefonat mit deinem Kumpel mitgehört, und du klangst wie ein typischer Frauenheld.«
Ich winde mich vor Scham.
»Und dann«, fährt sie fort, »mochte ich dich nicht, weil du sofort von der coolsten Clique der ganzen Schule akzeptiert wurdest, aber das hat dir noch nicht gereicht. Du musstest mich außerdem noch ärgern, als wäre ich irgendein Sport, den du meistern wolltest. Noch eine Trophäe auf deinem Regal.«
Ich stehe auf.
»Das tut mir leid«, sage ich. »Du hast recht. Ich war ein totaler Idiot. Und jetzt hab ich dich mitten in der Nacht geweckt, nur um mir das zu sagen, was noch schlimmer ist ...«
Darleen hält mich am Arm fest und zieht mich wieder aufs Bett.
»Setz dich, Liam«, sagt sie. »Ich bin noch nicht fertig.«
Mein Magen verkrampft sich.
»Willst du wirklich wissen, was ich gedacht habe, als ich dich in dem Cabrio deiner Mutter gesehen habe? An dem Tag, als sie dich hergebracht hat?«
Nicht wirklich.
»Ich habe gedacht: Wahrscheinlich ist der Typ genauso wie alle anderen oberflächlichen Schickimicki-Idioten, denen ich bisher begegnet bin .«
Ich schließe die Augen und vergrabe das Gesicht in den Händen.
»Und willst du wissen, was ich jetzt von dir halte?«
Ich schüttele den Kopf, doch Darleen kennt keine Gnade und lacht.
»Zu dumm, denn ich werde es dir trotzdem sagen.« Sie legtmir eine Hand aufs Knie. »Ich glaube, du bemühst dich zu sehr, es allen recht zu machen, und jetzt willst du alles hinschmeißen, nur weil es Leute wie mich gibt, die dich danach beurteilen, was sie sehen, ohne zu wissen, was sich unter der Oberfläche verbirgt.«
Sie hält inne und betrachtet
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