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Voll das Leben (German Edition)

Voll das Leben (German Edition)

Titel: Voll das Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Groschenroman hatte er in den vergangenen Jahren bereits alles in den Fingern gehabt. Im Moment war es ein seichter Liebesroman, in dem alles heiter, witzig und romantisch dargestellt wurde. Genau das Richtige für Zeiten, in denen die Realität zu bitter war, um noch traurige oder dramatische Geschichten ertragen zu können. Dennis blieb ungewöhnlich lange wach, sodass Jan es bis zum Happy End schaffte.
    Danach … Wenn er die Kraft zum Weinen gehabt hätte, wäre er in Tränen ausgebrochen. Er wusste, dass dies das letzte Buch gewesen war. Dennis hatte den Kampf aufgegeben. Keine weiteren Geschichten. Kein Happy End.
    „Schlaf ein wenig“, murmelte er schließlich. Er gab Dennis einen zärtlichen Kuss, der schwach erwidert wurde und legte sich dann selbst hin. Schon lange schlief er auf der Wohnzimmercouch, um immer da zu sein, wenn Dennis etwas brauchte. Er sehnte sich danach, dass diese Mühsal ein Ende fand. Die Pflege war körperlich wie seelisch unglaublich anstrengend. Wann er das letzte Mal mehr als vier Stunden durchgeschlafen hatte, er wusste es nicht. Für Dennis war dieses würdelose Dasein eine einzige Quälerei. Und trotzdem …
     
    ~*~
     
    „Aufwachen, Sonnenschein!“
    Dennis’ lachende Stimme weckte Jan aus ruhelosem Schlummer. Einen Moment lang war er zurück in den schönen Zeiten. Dennis, der Frühaufsteher, war morgens stets munter aus dem Bett gesprungen und hatte ihn erbarmungslos gekitzelt und geknufft, bis auch Jan grummelnd bereit war, den Tag zu begrüßen.
    Ruckartig schreckte er hoch.
    Es war stockdunkel. Mitten in der Nacht. Jan lauschte, doch von Dennis war nichts zu hören. Er schlief also friedlich, so wie es sein sollte. Jan ließ sich zurücksinken, er hatte nur geträumt. Aber seine Lider wollten sich einfach nicht schließen. Tiefe innere Unruhe machte sich breit und trieb ihn von der Couch herunter, hin zu der kleinen Nachttischlampe. Deren schummriges Dämmerlicht reichte, um zu sehen, wie es Dennis ging.
    Entsetzt prallte Jan zurück. Dennis war blau-grau angelaufen, seine Augen weit aufgerissen. Er schnappte wie ein Fisch nach Luft und schaffte es schließlich, röchelnd einzuatmen. Noch einen Moment lang starrte Jan auf dieses Bild des Grauens. Dann raste er in die Küche und riss das Morphium aus dem Kühlschrank. In seiner Hast fielen ihm drei Ampullen zu Boden. Ohne zu zögern schnappte er sich alle drei. Es würde den Todeskampf verkürzen. Sollten sie ihn doch anklagen, wenn die restlichen Ampullen nicht mit der Dokumentation übereinstimmten! Sollten sie ihm beweisen, dass er nicht in seiner Panik zwei Ampullen zerbrochen hatte! Dennis brauchte es.
    Ruhe senkte sich über ihn, als er die Spritzen aufzog und in rascher Folge in Dennis’ zerstochenen Bauch setzte.
    „Ich bin hier. Alles ist gut, ich bleibe bei dir“, flüsterte er unentwegt, hielt seinen Liebsten dabei im Arm und wiegte ihn sacht. Auch, als jegliche Spannung aus dem abgemagerten Körper wich, ließ er ihn nicht los. Er hielt ihn fest, bis es hell geworden war. Dennis war erlöst. Jan beneidete ihn aus tiefstem Herzen.
     
    ~*~
     
    „Es tut mir so leid“, murmelte Max und drehte die Karte zwischen den Fingern. „Mein Beileid.“
    Jan wartete geduldig. Er hatte vergessen, bei Max anzurufen, sein Chef hatte es darum erst jetzt erfahren. Drei Tage lang hatte er mit allen möglichen Leuten und Behörden telefoniert. Das Beerdigungsinstitut hatte die Beisetzung für übermorgen organisiert. Dennis war nicht streng gläubig gewesen, doch er hatte sich eine Messe und kirchliche Einsegnung gewünscht. Jetzt galt es nur noch, Gäste aufzutreiben.
    Und das gestaltete sich ungewöhnlich schwierig.
    Dennis’ Eltern waren tot. Seine Schwester lebte mit ihrer Familie in Portugal und konnte sich den Flug nicht leisten. Ein Cousin wohnte in Australien und wollte sich den Flug nicht leisten. Ein Halbbruder befand sich in Amerika und durfte sich den Flug nicht leisten, da seine Firma ihm nicht frei gab. Diverse Onkel, Tanten und andere Verwandte waren in Deutschland und den Niederlanden verstreut. Da Dennis die meisten von ihnen nicht einmal vom Namen her gekannt hatte, brauchte Jan sich nicht bemühen. Sämtliche Freunde und Bekannte, die Dennis besessen hatte, waren durch Studium und Beruf verschwunden oder hatten sich abgesetzt, als er langsam verfiel. Seine Ex-Freunde wollten nicht kommen. Die Nachbarn traute sich Jan nicht zu fragen, bei den meisten konnte er die Namen auf dem Klingelschild nicht den

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