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Voll das Leben (German Edition)

Voll das Leben (German Edition)

Titel: Voll das Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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durfte.
    Als sein Liebster schläfrig wurde, ließ Jan ihn allein und widmete sich wieder seiner kalten Suppe. Die faden Nudeln und das matschige Gemüse war er so leid! Doch richtig kochen, dazu konnte er sich nicht aufraffen. Nicht für sich allein. Mit Dennis hatte er früher gemeinsam gekocht. Sie hatten viel experimentiert, dutzende Kochbücher angeschafft, die nun unbeachtet in ihrem Regal dahinstaubten. Es hatte so viel Spaß gemacht, sich gegenseitig zu füttern, zwischendurch zu knuffen und zu ärgern, sich Küsse zu stehlen und es dabei trotzdem zu schaffen, kulinarische Köstlichkeiten zu zaubern. Beim Essen hatten sie über die Arbeit diskutiert und gestritten, sich anschließend versöhnt – oft genug stundenlang. Manchmal waren sie auch nur erschöpft vom langen Tag auf der Couch zusammengekuschelt eingeschlafen. An den Wochenenden hatten sie sich häufig mit Kevin und Thorsten herumgetrieben, die strikt hetero waren. Die beiden brachten ihre rasch wechselnden Freundinnen mit und schienen es entspannend zu finden, dass sie Jan und Dennis nicht als Konkurrenz zu fürchten brauchten. Manchmal waren sie allein in der Szene unterwegs gewesen, wo sie ebenfalls lose Bekanntschaften geschlossen hatten. Jan fühlte sich in den einschlägigen Clubs und Discos allerdings nicht allzu wohl, es war ihm zu hektisch, zu künstlich, zu betont schwul. Ein Lebensgefühl zu zelebrieren war wundervoll. Jemanden wie ihn, der es lieber ruhig mochte und schnellen Sex mit Unbekannten ablehnte,  als verkappte Hete zu beschimpfen … Auch solche Typen gab es in der Szene. Dort ein Außenseiter zu sein, nur weil er weder besonderen Spaß an Eyeliner, Schuhkauf, ständigem Partnerwechsel noch an dem ganzen Jahrmarkt der Eitelkeiten verspürte, war nicht besser als Schläge auf dem Schulhof einstecken zu müssen, nachdem der Klassenrüpel das Magazin für Herrenunterwäsche in Jans Schultasche gefunden hatte.
    Er lächelte grimmig. Das war der letzte Tag gewesen, an dem er sich versteckt hatte. Ein Coming Out mit dreizehn war anstrengend, oh ja. Vom eigenen Bruder verprügelt zu werden, wenn man bereits mit blauen Flecken und Prellungen nach Hause gehumpelt kam, war ganz gewiss unschön. Von den Eltern ignoriert zu werden, die einen vorher schon nicht mit Aufmerksamkeit überschüttet hatten – die Arbeit war immer wichtiger gewesen als alles andere, man musste schließlich das Eigenheim, die zwei Autos und den Jahresurlaub finanzieren – hätte ihn fast verzweifeln lassen. Aber nur fast. Zu seinem Glück war er ein klassischer Nerd , vom eher kurzen und schmalen Körperbau über Topnoten bis hin zum großen Detailwissen auf diversen Gebieten. Ein Genie war er weiß Gott nicht, lediglich gut genug, dass er häufiger angebettelt wurde, andere von ihm abschreiben zu lassen, als dass man ihm Schläge androhte. Max hatte er während des Informatikstudiums getroffen. Das hatte er abgebrochen und stattdessen mit ihm diese Firma gegründet. Als dann noch Dennis in sein Leben getreten war …
    Jan vertrieb die wehmütigen Erinnerungen und schüttete den Rest der Suppe weg. Erinnerungen waren alles, was ihm von seinem alten Leben geblieben war. Wie grausam, dass ihn diese Erinnerungen bloß quälten.
     
    Als Jan abends die Flasche mit der Flüssignahrung an Dennis’ Magensonde anschließen wollte, winkte sein Liebster ab.
    „Ich will das nicht“, flüsterte er. Sein Blick war so klar wie schon lange nicht mehr. „Lass mich gehen.“
    „Ich kann dich nicht verhungern lassen!“ Jan klammerte sich an Dennis’ Hand. Der antwortete nicht, sprechen kostete ihn viel Kraft. Es brauchte auch keine Worte. Jan wusste selbst, dass er es war, der sich festklammerte. Dass er Dennis nicht gehen lassen wollte. Viel zu groß war seine Angst vor der Leere danach. Vor dem Nichts, das Dennis hinterlassen würde.
    „Es tut mir leid, ich bin so selbstsüchtig“, sagte er niedergeschlagen.
    „Du warst der Sonnenschein meines Lebens“, presste Dennis hervor. „Du bist bei mir geblieben … Ich liebe dich.“
    Jan nahm ihn vorsichtig in die Arme, schmiegte sich an Hals und Wange seines Liebsten und verharrte so, bis es dunkel wurde. Nach der nächsten Pflege- und Lagerungsrunde und einer Morphiumspritze las er Dennis vor. Es war ein Ritual, das noch aus den glücklichen Zeiten geblieben war und er wäre niemals zu Bett gegangen, ohne nicht wenigstens einige Seiten vorgelesen zu haben. Vom Sachbuch über Klassiker der Weltliteratur bis hin zum

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