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Voll das Leben (German Edition)

Voll das Leben (German Edition)

Titel: Voll das Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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gefahren.
    „Schon gut“, sagte er und drückte sie nun seinerseits. „Fahr ruhig. Ich bin ja jetzt immer hier und komme zurecht. An den Wochenenden läuft es schließlich auch rund.“
    „Du nicht bist böse, dass ich dich im Stich lasse, nein? Ich würde sofort fahren. Wenn Dennis jetzt …“
    „Die eigene Familie geht vor. Dank dir für alles, Hanka!“
    „Ich komme zurück, sobald wie es geht. Ruf mich an, wenn du brauchst Hilfe. Immer.“
    Nickend und lächelnd begleitete Jan sie zur Tür, wobei sie ihm die ganze Zeit versicherte, wie leid es ihr tat und dass er sich sofort melden musste, sollte Dennis sterben. Es würde schwierig werden, Dennis ganz allein zu versorgen, bislang hatte er sich stets darauf verlassen können, dass Hanka zwei Mal täglich da war und alle Fragen und Probleme klärte. Andererseits hatte er mittlerweile genug Routine, dass er quasi selbst als Pflegehelfer arbeiten könnte.
    Da Dennis fest schlief, nahm Jan erst einmal eine Dusche. Während er sich anschließend eine Dosensuppe aufwärmte, hörte er ihn allerdings  unruhig murmeln. Trotz des Opiumpflasters, das beständig Wirkstoff abgab, und den zusätzlichen Morphiumspritzen litt Dennis immer wieder an Schmerzattacken.
    „Hanka?“
    Jan blieb kaum Zeit, die Herdplatte auszuschalten, um schnell genug an das Krankenbett eilen zu können. Dennis rüttelte an dem Bettgitter, das ihn davor bewahrte herauszufallen, und sein Gesicht war eine Maske von Schmerz und Elend. Er war bis auf die Knochen abgemagert, seine Haut grau und faltig. Von den schönen rotbraunen Haaren, durch die Jan früher stundenlang wuscheln konnte, waren bloß vereinzelte Strähnen geblieben. Die braunen Augen wirkten riesig in dem schmalen Gesicht. Sie starrten leer zu ihm hoch, Dennis war durch die Medikamente meist gnädig umnachtet und bekam nur wenig von der Welt mit. Selbst die starken Schmerzen brachten kein Leben in seinen Blick.
    „Ich bin hier, alles ist gut!“, sagte Jan beruhigend und griff nach der klammen Hand seines Liebsten. Es war zu früh, er konnte ihm keine Spritze geben. Also musste er ihn so durch die Attacke bringen.
    „So spät?“, krächzte Dennis kaum wahrnehmbar.
    „Nein, es ist halb zwei. Ich habe ein paar Tage freigenommen.“ Lächelnd wischte er mit einem kühlen Tuch über Dennis’ verschwitztes Gesicht, was schon zu helfen schien, denn er entspannte sich etwas. Jan richtete ihm die Sauerstoffsonde, die seinem Liebsten die Nase wund scheuerte. Ohne würde er nicht lange überleben. Die Sorge, dass er sich irgendwann die Sonde einfach abreißen und freiwillig ersticken würde, konnte auch das extra-dicke Haftpflaster nicht lindern. Dennis hatte eigentlich nicht mehr die Kraft, sich dieses Pflaster abzureißen, wirkliche Sicherheit gab es leider nie. Die Unsicherheit war teuer erkauft, denn das Pflaster hinterließ schmerzhafte, juckende Wunden, wann immer es gewechselt werden musste.
    Jan lagerte ihn auf die andere Seite – selbständig drehen konnte Dennis sich nicht. Damit er sich weder Druckgeschwüre holte noch Fehlstellungen der Gelenke erlitt, was mit noch mehr Schmerz verbunden wäre, musste er alle paar Stunden mithilfe von Kissen umgelagert und seine Gliedmaßen durchbewegt werden. Mit Franzbranntwein, dessen durchdringender Geruch nach Kiefern, Krankenhaus und Sterilität die Wohnung erfüllte, rieb Jan ihm den Rücken ein und hoffte, ihm so das Atmen etwas zu erleichtern. Dennis wurde ruhiger, während Jan ihn massierte, eincremte und auf jede denkbare Weise umsorgte. Das war der Teil der Pflege, den Jan genoss. Es gab ihm das Gefühl, etwas tun zu können. Aktiv für ihn da zu sein statt hilflos daneben zu stehen und dem Verfall zusehen zu müssen. Währenddessen erzählte er von allem Möglichen, alles, was ihm gerade einfiel. Von dem Dalmatiner heute Morgen an der Ampel, der seinem Herrchen auf die Schuhe gepinkelt hatte. Von der alten Dame gegenüber, die immer am Fenster saß und die Welt da draußen beobachtete. Von dem Kind, das ihm aus einem Schulbus zugewunken hatte. Wie Max getobt hatte, weil ihm ein Kunde falsche Eckdaten für die Webseite geliefert hatte, die sie ihm erstellen sollten. Thorstens beleidigte Miene, als Kevin ihm seine heißgeliebten Müsliriegel abgenommen hatte mit einem: „Wer abnehmen will, sollte sich nicht mit diesem Zuckerzeug vollstopfen, das Gesündeste an dem Teil sind die zweieinhalb Rosinen darin!“ Belanglosigkeiten des Lebens, an dem Dennis nicht mehr teilnehmen

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