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voll im Einsatz

voll im Einsatz

Titel: voll im Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dagmar H. Mueller
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wollte nur noch weg und mich zu Hause vergraben. Für die nächsten hundert Jahre.
    Und das habe ich auch getan. Wenn auch nicht für die nächsten hundert Jahre. (So was ist in unserer Familie sowieso unmöglich.) Denn jetzt trabe ich ja, wie gesagt, schon wieder brav in die Schule.
    Gregory hat mir gestern noch ein weiteres Gedicht von Goethe mitgebracht, das Frau Tönning ausgeteilt hatte. Gefunden heißt es. Wir sollen nur darüber nachdenken diesmal, nichts schreiben. (Also völlig unverfänglich, ha-ha …) Na ja, und da ich in meinem Bett ja sowieso nichts anderes tun konnte als nachzudenken, hab ich das dann auch mal gemacht.
    Allmählich gewöhne ich mich sogar daran. An Gedichte, meine ich. Ist eigentlich echt hübsch, Sachen so blumig auszudrücken. Aber was meint Goethe eigentlich mit seinem Blümchen in diesem Gedicht? Dichter meinen ja fast nie das, was sie schreiben. Die meinen immer irgendwas anderes, was sie dann hinter alltäglichen Dingen verstecken.
    Ach, Goethes blumige Blumen! Leider hab ich ganz andere Sorgen!
    Es ist Freitag. Und seit dem Super-GAU (dem Größten Anzunehmenden Unfall!) meines Lebens sind erst drei Tage vergangen, und nicht etwa ein Jahrhundert. Drei winzige Tage! Ohne Zweifel wird in der Zwischenzeit niemand – absolut NIEMAND – auch nur den kleinsten Satz meines Briefes vergessen haben. Am liebsten würde ich wieder umkehren. Oh, warum tue ich mir das eigentlich an?
    Klar, gestern – vor allem nach dem Gespräch mit Cornelius – da war ich mir noch ganz sicher, dass ich die Schule jetzt wieder hinkriegen würde. Dass ich es schaffen würde, mir Daniel aus dem Kopf zu schlagen. Und dass ich ganz locker einfach woanders hingehen könnte, sollte er was Verletzendes sagen. Jetzt allerdings bin ich mir leider überhaupt gar nicht mehr sicher, dass ich das hinkriege.
    »Du siehst ja aus wie Milchsuppe mit Spucke«, sagt Tessas Busenfreundin Dodo und lächelt mich freundlich an. (Versucht die etwa, nett zu sein?)
    Ich werde sie einfach überhören. Vermutlich eine gute Übung für den ganzen vor mir liegenden Schultag. Es wird heute bestimmt eine Menge Dinge geben, die ich wohl besser überhören sollte. Kann gleich mal anfangen zu trainieren.
    »Was hattest du eigentlich?«, fragt Dodo mich jetzt mit beinahe besorgtem Blick.
    Ich antworte genau das, was Erwachsene immer sagen, wenn sie sich ein paar Tage ins Bett legen und danach keine dummen Fragen beantworten wollen: »Einen Virus.«
    Das ist außerdem absolut wasserdicht. Es gibt davon schließlich fürchterliche Ausgaben, die einen komplett lahmlegen können..
    »Oh!«, macht Dodo auch sofort und sieht ehrlich betroffen aus.
    »Könnte sein, dass es noch ansteckend ist«, beeilt sich Gregory nachzuschieben. »Dieser Virus grassiert ganz grässlich im Moment!«
    Da boxe ich ihn schnell mal hart und freundschaftlich in die Seite. Kein Grund zu übertreiben! Gestern schon hat er ständig versucht, mich aufzuheitern, indem er vom Liebesvirus sprach. Und dass ich nur die richtige Medizin bräuchte und so einen Quatsch! Als ob Liebe eine Krankheit wäre! Ich hab schon fast bereut, ihm nach der Briefkatastrophe auch noch die ganze Sache mit Daniel gebeichtet zu haben.
    »Bis später!«, rufen Tessa und Dodo, als wir an der Schule angekommen sind, und staksen in ihren hohen Schuhen in ihre Klasse.
    Malea hat in der ersten Sport und muss rüber zu den Sportplätzen. Gregory und ich gehen weiter zum Haupteingang. Als wir an den Mülltonnen vorbeikommen, muss ich an den merkwürdigen Jungen denken. Heute hockt er da jedenfalls nicht. Was aus dem wohl geworden ist?
    Egal. Ich hab jetzt genug mit meinen eigenen Problemen zu tun. Zum Beispiel den Spott der Klasse zu ertragen. Auch wenn Gregory mir tausendmal versichert hat, dass der Brief überhaupt kein Thema mehr war, weder am Mittwoch noch am Donnerstag. Kein Mensch hat mehr darüber geredet, hat Gregory gesagt. Trotzdem – vergessen hat die Sache bestimmt niemand, und spätestens wenn ich wieder da bin, werden sich bestimmt alle wieder an den Inhalt erinnern.
    Aber Brief hin oder her. Am schlimmsten ist natürlich das alles mit Daniel. In den letzten drei Tagen ist mir schmerzhaft klar geworden, dass ich bei Daniel wirklich nicht den Hauch einer Chance habe. Und dass ich aufhören muss, Wackelpuddingbeine zu bekommen, sobald ich ihn nur sehe.
    Und das hat mir NICHT Gregory gesagt (und auch nicht Cornelius), das hab ich mir selbst gesagt. Ich bin ja schließlich klug genug! Ich

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