Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
Reihe abgestrichener Wörter auf seinem Blatt hat, springt man auf und schreit: »Bingo«.
Es gibt leichte Verwirrung, die Lehramtsstudenten schreiben und schreiben. Sollen wahrscheinlich das Lehrerverhalten dokumentieren. Mir doch egal. Dann wird gespielt. Murat darf vorne sitzen und Kärtchen ziehen (aus einem Beutel, den mir Frau Dienstag genäht hat – die kann ja wirklich alles). ham – Schinken, coffee – Kaffee, vegetables – Gemüse, meat – Fleisch – BINGO! So geht das ungefähr zwanzig Minuten. Die Studenten spielen mit, gewinnen aber nie.
Als die Luft raus ist, hole ich das furzeinfache Arbeitsblatt raus (eigentlich sind es drei – sicher ist sicher) und lasse es verteilen. Konzentrierte Ruhe. Niemand ist überfordert, und man zeige mir mal den Schüler, der sich ernsthaft über Unterforderung beschweren würde – außer Schantalle natürlich.
Kurz vorm Klingeln lasse ich die Schüler sich in ihren Gruppen noch mal gegenseitig die Vokabeln abfragen. Zufrieden stolziere ich durch die Klasse. Plötzlich traue ich meinen Ohren nicht. An einem Tisch läuft eine angeregte Unterhaltung zwischen den Schülern und einer Lehramtsstudentin: » And did you come with the plane? «
» No. By train. «
» And how many hours with train? «
» Eight. «
» You like the city? Frau Freitag, was heißt Sehenswürdigkeiten?«
Ich verwirrt: » Sights. «
» You see sights? «
» No, not yet. «
Jetzt mischt sich Samantha ein. Ich hatte bei ihr gerade eine Fünf in die Zensurenliste eingetragen, weil sie nie mitmacht.
» You like shopping? «
» Yes «, antwortet die Studentin, und Samantha ruft begeistert: »Oh, I love shopping, too. «
Dann klingelt es. Die Schüler stürmen fröhlich aus dem Raum und lassen mich total verwirrt zurück. Woher soll ich denn wissen, dass die Englisch können? Meine Verwirrung lässt allerdings schnell nach, denn in der darauffolgenden Stunde kann ich mich wieder mal davon überzeugen, dass sich meine Klasse nach drei Jahren Englischunterricht bei mir jegliche Fremdsprachenkenntnisse abgewöhnt hat. Vielleicht sollte ich diese Siebtklässler schnell zur Realschulprüfung anmelden, bevor die genauso schlecht werden wie meine Schüler.
Tag der Wahrheit
So, Freitag, Tag der Abgabe. Deadline Realschulprüfungsanmeldung.
Gestern war ich schon so gespannt, wer seine Anmeldung abgeben wird, dass ich kaum schlafen konnte. Erste Stunde, meine Klasse: Schleppender Anfang, zehn Leute kommen zu spät. Als alle da sind, hole ich bedeutungsschwanger ein liniertes Blatt raus und schreibe Realschulprüfung drauf. Dann rufe ich der Reihe nach die Namen auf und lasse die Schüler nach vorne kommen und ihre Anmeldungen abgeben. »Abdul, Ayla, Elif …«
»Marcella.«
»Frau Freitag, ich habe nachher noch den Termin mit Herrn Schwarz.«
»Wie? Heute? Und wieso Herr Schwarz, ich dachte, du machst bei Herrn Werner.«
Ich wusste schon, dass Herr Werner und Marcella eine Auseinandersetzung über die Nutzung von Handys im Unterricht gehabt hatten. Die damit endete, dass sie ihn fragte: »Wer glauben Sie, wer Sie sind? Meinen Sie im Ernst, ich gebe Ihnen mein Handy?« Woraufhin er später im Lehrerzimmer zu mir sagte: »Marcella glaubt ja wohl nicht, dass ich sie freiwillig prüfen werde.« Nun hatte sich Marcella also den netten, harmlosen, gutmütigen Herrn Schwarz ausgesucht.
»Wie auch immer«, sage ich leicht genervt, da sie alles verzögert. »Heute muss deine Anmeldung in meinem Fach sein. Vor der Mittagspause, sonst bist du nicht angemeldet.«
Abdul und Bilal haben auch noch einen Termin mit Herrn Werner und tun so, als sei das ganz normal. Wie ich nur daran zweifeln könne, dass sie die Anmeldung rechtzeitig abgeben!
Am Ende der Stunde hatte ich zehn Anmeldungen und sieben Versprechungen mit Schwüren und allem Klimbim: »Warten Sie nur, Sie werden sehen, es liegt dann in Ihrem Fach!«
Ich hatte den Schülern zwar mitgeteilt, dass sie die Anmeldung samt eines Antrags auf Zulassung zur Teilnahme abgeben müssen. Was ich nicht erwähnt hatte: Sie müssen auch eine Gliederung für ihre mündliche Präsentationsprüfung einreichen. Das steht in Miniaturschrift auf dem Antrag – sozusagen das Kleingedruckte. Ich habe es nicht gelesen und nicht gewusst, weil ich ja den Antrag nicht ausgefüllt habe. Die Schüler hätten das allerdings lesen müssen.
Und natürlich habe ich auch nur vier lumpige Gliederungen bekommen. Die meisten waren wohl schon für das Mitbringen des Antrags bis
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