Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
von dem da Ablehnung? Rieche ich den Rassismus? Und du, linkstolerante Kleinfamilienmutti, willst du besonders pro multikulti rüberkommen und lächelst mich deshalb so breit an?
Rumlaufen klappt gut. Aber wie sieht es mit direkter Interaktion aus? Wir gehen in eine große Buchhandlung. Wie gewohnt fasse ich jedes Buch an, das mich interessiert. Ich bin ein eher haptischer Wahrnehmer. Ich muss immer alles angrapschen, bevor ich es verstehe. Deshalb begreife ich also jede Schutzhülle, jeden Prägedruck, und bei Büchern kommt ja noch das Olfaktorische hinzu. An vielen Romanen muss ich erst mal riechen, bevor ich bereit bin, den Klappentext zu lesen. Die Buchhandlung, in der wir sind, hat sogar ein Café. »Komm, wir holen uns was zu trinken«, schlägt Fräulein Krise vor und stürmt schon an die Theke. »Zwei Cola light, bitte«, sagt sie, ohne mich zu fragen. Wir trinken immer Cola light – warum sollte sie mich also vor der Bestellung konsultieren?
Wir setzen uns so, dass wir die anderen Tische im Blick haben. »Meinst du nicht, dass die Leute sich wundern, dass wir so gut deutsch sprechen?«, frage ich. »Konvertiert«, erklärt das Fräulein lässig. »Wir sind Konvertiten.« Wir trinken unsere Imperialisten-Limo und sehen uns die anderen Kunden an. An einem Tisch sitzt ein älterer Mann und liest ein kleines dünnes Buch. Fräulein Krise haut mir etwas zu doll auf den Arm: »Guck mal, guck mal, was das für ein Buch ist. Der Untergang des Islams . Soll ich mal hingehen und sagen: Nix gut Buch. Du nicht lesen böse Buch von Islam.« Sie kichert. »Traust du dich doch eh nicht«, versuche ich sie herauszufordern. Und leider traut sie sich wirklich nicht. Da uns niemand komisch anguckt oder anspricht, gehen wir und suchen einen Klamottenladen. »Lass mal gucken, ob uns bei C&A jemand ausgrenzt wegen Kopftuch.«
Irgendwie stört es mich fast, dass wir so gar nicht komisch angeguckt werden. Nicht mal, als ich jedes T-Shirt auseinanderfalte und unordentlich wieder zusammenknülle, weil keins meinen Vorstellungen entspricht. Ich probiere Pullis und Jacken an. Mein Kopftuch sitzt perfekt und verrutscht auch nicht bei der Anprobe von engen Rollkragenpullovern. Fräulein Krise steht vor der Kabine und hält meine Tasche und meine Jacke. Sie will nichts anprobieren. Sie hat aufsteigende Hitze und jammert. »Das ist das Kopftuch, da kann die Wärme ja gar nicht entweichen. Mann, ist das heiß. Beeil dich jetzt bitte, ich kann nicht mehr.« Nachdem ich mal wieder nichts gefunden habe, was mir gefällt, begeben wir uns zum Ausgang. Auf dem Weg dorthin grapscht sich Fräulein Krise ein T-Shirt und geht zur Kasse. Einfach so, ohne Anprobieren. Die Frau weiß eben, was sie will. Neben der Kasse probiert eine ältere Frau einen Wintermantel an. Sie steht vor dem Spiegel und dreht sich hin und her. Neben ihr steht eine Verkäuferin und guckt anerkennend in den Spiegel. »Sieht sehr gut aus, wirklich.« An der Kasse steht eine junge Verkäuferin und langweilt sich. Sie ist stark geschminkt und hat extrem blondierte Haare. Als sie sieht, dass wir im Anmarsch auf ihre Kasse sind, dreht sie sich zu ihrer Kollegin und mischt sich in den Mantelkauf ein. Fräulein Krise und ich gucken uns verwirrt an. Wir denken beide das Gleiche. »Klarer Fall: Diskriminierung!« Aber nicht mit uns! Wütend stürze ich mich an den Tresen und rufe: »Haaaallooo, arbeitet hier jemand?«
Etwas zu langsam und extrem genervt kommt die Blondierte zu uns. Fräulein Krise schiebt wortlos das T-Shirt und 20 Euro rüber. Die Verkäuferin nimmt das Geld und tut das T-Shirt in eine viel zu große Tüte. Fräulein Krise senkt ihren Blick auf den Boden und flüstert unterwürfig: »Kleine Tüte!« Ihr Wunsch wird erfüllt, und ich ziehe sie am Mantelärmel aus dem Laden, weil ich sonst einen Lachkrampf kriege.
Draußen pruste ich los: »KLEINE TÜTE … ach bitteeeschönnn kleine Tüte. Oh Mann, Fräulein Krise, du bist so eine Schauspielerin, unglaublich. Ich könnte mich wegschmeißen. Das macht so einen Spaß. Das müssen wir jetzt immer machen!« Fräulein Krise grinst zufrieden und sagt: »Aber nächstes Mal will ich ein Kopftuch aus Seide und dann nicht in Braun!«
Schlau kommt weiter, geht aber nicht früher
Unsere Schule hat eine Sprechanlage. Wenn wir Glück haben, sagt der Schulleiter da so schöne Sachen durch wie: »Aufgrund der starken Hitze endet der Unterricht nach der 5. Stunde.« Meistens kommen allerdings Durchsagen wie: »Frau Schwalle,
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