Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
bei Peter nie gemacht. Ronnie fehlt so oft, und nie rufen Sie da an.«
Ah, sie ziehen die »Sie sind rassistisch«-Karte. Jetzt mischt sich Elif ein: »Äh? Ronnie fehlt doch nie. Und Peter auch nicht.«
Als ich den Raum verlasse, heften sich Elda und Funda an meine Fersen. Eigentlich könnten sie nach Hause gehen.
»Bitte, meine Mutter schickt mich Türkei.«
»Mein Vater tötet mich.«
»Ich verspreche, dass es nie wieder vorkommt. Frau Freitag, wir machen einen Vertrag. Es war doch auch nur das eine Mal …«
Mit einem »Wir reden morgen darüber« lasse ich sie stehen. Es ist Zeit, mir das Feedback über die Bewerbungsgespräche meiner Klasse abzuholen. Wahrscheinlich werde ich mit den Müttern ausmachen, dass sie mich ab jetzt immer anrufen müssen, wenn ihre Töchter krank sind und nicht in die Schule kommen können. Die gefälschten Entschuldigungen werde ich ihnen nicht zeigen.
Meine Klasse hat sich beim Bewerbungstraining recht wacker geschlagen und einen überraschend guten Eindruck bei den Schulfremden hinterlassen. Jede Klasse hatte fünf oder sechs Leute aus der Wirtschaft zu Besuch, die sehr lebensnahe Einstellungsgespräche mit den Kindern geführt haben. Am Ende des Tages bekommen die Klassenlehrer Rückmeldung, wie es gelaufen ist. Jeder Schüler wird einzeln besprochen. Als Elda an der Reihe ist, berichtet der junge Mann begeistert, was für eine offene und nette Person sie sei. »Das Einzige, was ihr wirklich Probleme machen könnte, sind die Fehlzeiten und die Verspätungen auf den Zeugnissen. Sie sagt, dass die Stunden alle entschuldigt waren, ihre Lehrerin aber die Entschuldigungszettel verschlampt hätte.«
»WIE BITTE?« Ich glaub, ich hör nicht richtig. Na warte, Fräulein, wir sprechen uns noch, und mit deiner Mutter spreche ich auch! Und die Türkei ist doch auch ein schönes Land, und einen Ausbildungsplatz bekommst du mit deinen Fehlzeiten ja sowieso nicht, warum dann nicht gleich heiraten?
Nachts kann ich nicht gut schlafen. Ich wache doch glatt vor lauter Wut über Eldas infame Lügendreistigkeit schon um vier Uhr auf. In meinem Kopf ein monotoner Beat: »Na warte! Na warte! Na warte!«
Morgens stehe ich vor meiner Klasse. Mein Plan: Eldas unverschämtes Verhalten öffentlich machen. Aber damit die Botschaft richtig ankommt, muss sie sich erst mal in Sicherheit wiegen. Ich frage die Klasse also, ob und was sie beim Bewerbungstraining gelernt haben. Ronnie, der nicht teilgenommen hat, begrüßt mich gleich mit: »Bewerbung ist scheiße.«
»Was meinst du?«
»Na, das ist alles behindert. Der ganze Tag gestern, behindert.«
»Ich versteh nicht ganz, was du meinst, Ronnie. Willst du damit sagen, dass du das alles schon kannst und das nicht brauchst, oder was?«
»Ja, kann ich.«
»Und was findest du an der Möglichkeit, Bewerbungsgespräche zu üben, jetzt so schlimm?«
»Na, sag ich doch – DAS IST BEHINDERT.«
Ich beende das Zwiegespräch mit ihm und wende mich wieder der ganzen Klasse zu: »Was meint ihr denn, was die Bewerbungstrainer über euch gesagt haben? Was fanden die wohl gut und was nicht so gut?«
»Die haben bestimmt gesagt, dass wir keine Ahnung von den Berufen haben«, sagt Abdul.
»Ganz genau. Keiner von euch hat irgendeinen Plan davon, was man in den von euch angestrebten Jobs macht. Ihr bewerbt euch da für Berufe und wisst gar nichts darüber. Das müsst ihr unbedingt noch nacharbeiten.«
Die Schüler sind sich einig, dass ihnen der Tag sehr viel gebracht hat, dass sie viel gelernt haben. Das Gelernte können sie sogar genau benennen. Und dann sind sie ganz baff, als ich ihnen erzähle, wie positiv, freundlich und nett sie rüberkamen. Wie sie gelobt wurden, dass sie das alles so ernst genommen und gut mitgemacht haben. Und vor allem, dass alle so superpünktlich waren.
Seit morgens um vier freue ich mich auf diesen Moment.
»Was meint ihr denn, was ihnen bei euch allen negativ aufgefallen ist?«
»Fehlzeiten und Verspätungen auf dem Zeugnis.«
»Genau. Haben sie euch in den Gesprächen darauf angesprochen?«
Alle: »Ja.«
»Okay, und was habt ihr da gesagt?«
»Ich hatte falsche Freunde. Und bin aber auch selbst schuld.«
»Der Bus hatte immer Verspätung.«
»Familiäre Probleme, die jetzt aber gelöst sind.«
»Ich habe gesagt, ich hatte eine schlechte Phase und bin jetzt aber nicht mehr so.«
»Und Elda, Funda, was habt ihr gesagt?«
Funda: »Bei mir haben sie gar nichts gesagt, weil da ja nicht viele unentschuldigte Stunden auf
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