Voll streng, Frau Freitag!: Neues aus dem Schulalltag (German Edition)
Ich erkläre die Schulabschlüsse und nenne die Fächer, in denen sich Elda noch verbessern muss.
Und dann greife ich in mein Regal und hole alle Entschuldigungen von Elda raus.
»So, Mama Elda, gucken Sie mal, welche von denen hier tragen denn Ihre Unterschrift?«
Die beiden schieben die Zettel hin und her. Wir diskutieren über die einzelnen Daten. Es stellt sich heraus, dass mindestens zwei Unterschriften gefälscht sind. Ich nehme die Entschuldigungen wieder an mich.
»Passen Sie auf, wir machen das so: Wenn Elda krank ist, dann rufen Sie einfach kurz in der Schule an. Die Entschuldigungen erkenne ich, bis auf die beiden hier, alle an, okay?«
Dann erzählt Elda noch, dass Frau Hinrich gesagt hat, dass sie ihr Deutsch verbessern muss.
»Aber Frau Freitag, wie soll ich das denn machen?«
»Lesen! Du musst lesen!« Ich greife hinter mich ins Regal und gebe ihr ArabQueen . »Hier, lies das mal. Geht um Zwangsheirat.«
An der Tür flüstere ich ihr zu: »Zwangsheirat, wegen gefälschter Entschuldigungszettel.«
Stur und nachtragend
Samira hat Stress. Sie ist zwar nicht mehr in meiner Klasse – leider –, aber wir sehen uns in den Pausen. Dann legt sie konspirativ den Arm um mich, geht mit mir durch das Schulgebäude und weiht mich in ihre Sorgen und Nöte ein.
»Frau Freitag, ich habe voll Ärger mit Frau Schwalle.«
» Oh no . Was ist denn passiert?« Frau Schwalle unterrichtet nicht mehr in meiner, dafür aber in Samiras neuer Klasse.
» Üffff , die Frau geht gar nicht! Jetzt soll ich mich bei ihr entschuldigen. Dabei hab ich schon Tadel bekommen, warum soll ich mich dann auch noch entschuldigen?«
»Tja …«
»Sie ist voll behindert, diese Frau.«
»Aber Samira, du bist 10. Klasse, du brauchst die guten Noten. Wenn du dich jetzt nicht mit ihr verträgst, dann hast du nur noch mehr Stress dieses Schuljahr, und am Ende ist dein Abschluss gefährdet.«
»Frau Freitag, ich schwöre, ich kann mich nicht entschuldigen.«
»Wann sollt ihr denn miteinander sprechen?«
»Jetzt gleich, in der Pause.«
In der Mittagspause frage ich so ganz beiläufig ihre neue Klassenlehrerin, wie das Gespräch zwischen Samira und Frau Schwalle gelaufen ist.
»Nicht gut. Gar nicht gut. Samira ist stur geblieben und hat sich nicht entschuldigt.«
Später rauche ich mit Kollege Müller, der Samira auch sehr mag. Er fragt mich: »Hast du gehört, dass Samira voll Ärger mit der Schwalle hat?«
»Ja, habe ich gehört.«
»Weißt du auch, worum es ging?«
»Nein.«
»Samira hat gesagt, dass die Sachen, die Frau Schwalle anhatte, nicht zusammenpassen.«
»Echt? Deswegen gibt die ihr einen Tadel?«
»Na ja, du kennst ja Samira, war bestimmt recht unpassend in dem Moment.«
»Ja, wahrscheinlich. Aber weißt du was, irgendwie finde ich es auch gut, dass sie sich nicht entschuldigt hat und dass sie so stur ist. Blöd nur, wegen so was den Schulabschluss aufs Spiel zu setzen. Wie ich Frau Schwalle kenne, sieht Samira in dem Unterricht keine Sonne mehr.«
Herr Müller nickt.
Ich kann mir Samira richtig vorstellen, wie sie da sitzt – eingekeilt zwischen neuer Klassenlehrerin und der Schwalle, und beide quatschen auf sie ein, sie soll sich entschuldigen. Und Samira sitzt einfach da, mit versteinertem Gesicht, das ihnen wunderbar nonverbal vermittelt: Ich denk gar nicht dran.
Irgendwie find ich’s super. Sie ist stur und nachtragend. Richtig erwachsen. Man muss nicht immer klein beigeben. Und unter uns gesagt: Die Schwalle versteht wirklich nichts von Mode. Samira schon.
Stuhlkreis gegen Rassismus
»Hier, wartet mal, ich muss euch was zeigen! Kann ich mal kurz deinen Laptop haben?« Ich bin mit dem Freund bei Bekannten zum Essen eingeladen. Wir sitzen im Wohnzimmer und quatschen. Eine Frau, die ich nicht kenne, hat mich gerade gefragt, wie es ist, Lehrerin zu sein, da fällt mir wieder ein, dass ich mich heute tierisch aufgeregt habe.
»Ich hätte fast mein MacBook an die Wand geschmissen, als ich das gelesen hab. Wartet mal, hier, auf der Kinder-Facebook-Seite …«
»Kinder-Facebook?«, fragt ein Typ mit Glatze. »Was soll denn das sein?«
»Du bist mit deinen Schülern bei Facebook befreundet?«, fragt eine Frau, die bestimmt keine Lehrerin ist, denn sie ist viel zu modisch gekleidet. »Darf man das denn als Lehrerin?«
»Na, wie jetzt? Dürfen, nicht dürfen, das ist doch meine Sache, was ich mache, also … Warte mal, jetzt noch das Passwort: A L L Z W E C K R E I N I G E R. So, also, äh ja, ich bin mit
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